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Die Staatskanzlei - Kriminalroman

Die Staatskanzlei - Kriminalroman

Titel: Die Staatskanzlei - Kriminalroman
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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Stolli. Das sind alles wilde Spekulationen. Selbst wenn du recht hast, wirst du es niemals beweisen können. Falls es in seiner Zelle irgendwelche Spuren gegeben haben sollte, die auf Fremdeinwirkung hinweisen, wurden sie längst beseitigt. Im Übrigen: Welchen Grund sollte Milner gehabt haben, ihn umbringen zu lassen? Hat deine Bekannte vom BKA nicht gesagt, dass er nur saubere Geschäfte in Deutschland abwickelt?“
    „Sie ist eine Mitarbeiterin des BKA und nicht der liebe Gott. Was wissen die vom BKA denn schon?“
    Petra Schramm warf ihrer Chefin einen entrüsteten Blick zu und tippte sich an die Stirn. „Ich will dann mal, ich bin in meinem Büro, wenn Sie mich noch brauchen.“
    „Du kannst gehen, aber morgen früh möchte ich dich gerne hier haben. Ich brauche dich für den Abschlussbericht.“
    Als sie das entsetzte Gesicht ihrer Assistentin sah, fügte Verena hinzu: „Mittags ist auch für uns Schluss. Ich habe nicht vergessen, dass morgen Heiligabend ist.“
    Nachdem ihre Mitarbeiterin gegangen war, fasste Verena sich unwillkürlich an die Stirn. Die latenten Schmerzen, die sich im Laufe des Abends angekündigt hatten, waren stärker geworden. Sie gab sich noch eine halbe Stunde, dann würden die Kopfschmerzen nicht mehr zu ertragen sein. Zeit, dass sie ins Bett kam. Ihre Kraftreserven waren erschöpft. Sie brauchte Schlaf und frische Luft. Sie wandte sich ihrem Kollegen zu. „Wenn das BKA es nicht weiß, was erwartest du dann von uns? Und tu mir den Gefallen und vergiss unseren Auftrag nicht. Unser Job war es, die Beamtenmörderin zu fassen. Von Boris Milner und seinen Geschäften war nicht die Rede.“
    Mit ihrer Bemerkung provozierte sie höhnisches Lachen bei ihrem Kollegen. „Unsere gute Verena versteckt sich hinter Zuständigkeitsregeln, der Staatskanzleivirus hat sie erfasst. Die organisierte Verantwortungslosigkeit in den deutschen Amtsstuben schaut zu, wie die organisierte Kriminalität sich in Deutschland ausbreitet. Na toll!“
    Verena strich sich erneut über die Stirn. Sie war noch nicht über den Berg. Die Todesangst, der sie noch vor wenigen Stunden ausgesetzt gewesen war, war nur verdrängt, nicht bewältigt. Sie wollte nicht auch noch darüber nachdenken müssen, welche Pläne den Mafiaboss umtrieben. Es war nicht ihr Job. Das war verdammt noch mal der Job der Politiker, der Ministerriege und des Regierungschefs. Hatten sie nicht einen Amtseid abgelegt, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden?
    Sie wandte Stollmann ihr müdes Gesicht zu. „Was immer der Kerl im Schilde führt, wir wissen es nicht und können es nicht ändern. Wir haben nichts in der Hand gegen ihn. Und nun tu mir den Gefallen, Stolli, und lass mich allein. Ich will noch arbeiten.“
    Stollmann zuckte die Achseln. „Na dann, frohe Weihnachten.“
    Als er gegangen war, schaute Verena noch lange aus ihrem Bürofenster in die dunkle Nacht hinaus. In ihre Gedanken hinein platzte der Direktor. Auch er sah müde aus. Er war noch wütender als Stollmann, warf ihr mit schneidender Stimme die Missachtung von Dienstanweisungen vor und brachte Begriffe wie „sträflicher Leichtsinn“ und „renitentes Verhalten“ ins Spiel. Er redete sich in Rage. So spricht kein Vorgesetzter, so redet ein besorgter Mann, dachte Verena und fühlte sich trotz der Kopfschmerzen wohl wie lange nicht mehr.

82
P OTSDAM
    Boris Milner wollte die Weihnachtstage in seinem Haus in der Rosenstraße in Potsdam verbringen. Er hatte die Villa in bevorzugter Lage günstig aus der Konkursmasse erworben. Der Vorbesitzer, ein Opfer der Finanzkrise, hatte keine Kosten gescheut, um aus der im vorigen Jahrhundert erbauten Villa ein Schmuckstück zu machen. Milner gefiel es hier. Manchmal joggte er in dem angrenzenden Park mit seinen vielen verschlungenen Wegen, der bereits Kaiser Wilhelm den Ersten entzückt und zum Bau eines Sommersitzes bewogen hatte.
    Jetzt war er wütend und lief in dem überdimensionierten Wohnzimmer wie ein Tiger in seinem Käfig auf und ab. Er hasste es, zu warten, und er verabscheute Unpünktlichkeit. Es gab fast nichts, was er bei den Deutschen mochte. Mit ihrem besserwisserisches Gehabe und der moralischen Keule, die sie bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit hervorholten, gingen sie ihm und dem Rest der Welt gehörig auf den Senkel. Die einzige Eigenschaft, die Milners uneingeschränkte Zustimmung fand, war ihre Pünktlichkeit. Wäre die Frau, auf die er wartete, von Geburt aus Deutsche, wäre sie sicherlich pünktlich
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