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Die Spur der Füchse

Die Spur der Füchse

Titel: Die Spur der Füchse
Autoren: Ken Follett
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gewöhn dich an diesen Anblick.« Für einen Moment trafen sich ihre Blicke, dann schaute Ellen weg. Derek verschwand wieder im Badezimmer, und Ellen hörte die Wassermassen gurgeln und rauschen, als er sich in die Wanne legte.
    Jetzt, da ihr nackter Gemahl nicht mehr zu sehen war, konnte Ellen ungehinderter nachdenken. Ihr Dilemma war ihr soeben auf drastische, ja, brutale Weise vor Augen geführt worden: Konnte sie sich mit dem Gedanken vertraut machen, wieder Sex mit Derek zu haben, oder nicht? Vor einigen Monaten hätte sie es vielleicht gekonnt – nein, nicht vielleicht, sondern bestimmt, und sogar mit Freuden. Aber damals hatte sie den schlanken, straffen, muskulösen Körper ihres Liebhabers noch nicht gekannt; damals hatte sie die Sinnlichkeit noch nicht wiederentdeckt und nicht gewußt, wie lustvoll ihr eigener Körper darauf reagierte.
    Sie zwang sich dazu, sich den nackten Derek vorzustellen: den dicken Hals, die schwabbelige Brust mit den Büscheln grauweißen Haares um die Brustwarzen, den gewaltigen Schmerbauch, über den ein dünner Streifen dichter dunkler Haare nach unten verlief und sich verbreiterte, und darunter den – na ja, wenigstens konnte Derek mit Felix mithalten, was den betraf.
    Dann stellte sie sich vor, mit Derek Sex zu machen – wie er sie berührte, wie er sie küßte, und was sie mit seinem Körper tun würde –, und plötzlich erkannte Ellen, daß sie mit Derek schlafen konnte und wahrscheinlich sogar Spaß am Sex hatte.
    Felix’ Hände mochten geschickt und erfahren sein, doch Dereks Hände hatten sie seit vielen Jahren zärtlich gehalten. Felix’ Schultern hatte sie vor Lust und Leidenschaft zerkratzt, doch an Dereks Schultern konnte sie sich leh nen. Felix sah blendend aus, doch auf Dereks Gesicht spiegelten sich die Jahre voller Liebe, Zärtlichkeit und Verständnis.
    Wahrscheinlich liebte sie Derek. Und wahrscheinlich war sie einfach zu alt für Veränderungen.
    Sie hörte, wie er in der Badewanne aufstand, und ein Gefühl der Panik überkam sie. Sie hatte noch nicht genug Zeit zum Nachdenken gehabt; sie war noch nicht bereit, eine unumstößliche Entscheidung zu treffen. Jetzt und hier konnte sie sich noch nicht mit dem Gedanken abfinden, Felix für immer aufzugeben. Es ging einfach zu schnell.
    Sie mußte mit Derek reden. Sie mußte das Thema wechseln und seine und ihre Gedanken in andere Richtungen lenken. Was sollst du ihm sagen?, fragte sie sich, als sie hörte, wie er aus der Wanne stieg. Jetzt würde er sich abtrocknen, und in wenigen Augenblicken würde er ins Zimmer kommen, und dann …
    Ellen rief: »Wer hat die Firma eigentlich gekauft?«
    Dereks Antwort war unverständlich, außerdem klingelte in diesem Moment das Telefon.
    Als Ellen durchs Zimmer ging, um den Hörer abzunehmen, rief sie noch einmal: »Derek? Wer hat die Firma gekauft?« Sie nahm den Hörer ab.
    Aus dem Bad erklang Dereks Stimme: »Ein gewisser Felix Laski. Du hast ihn mal flüchtig kennengelernt. Erinnerst du dich?«
    Ellen stand da wie vom Blitz getroffen, den Hörer am Ohr. Sie sagte keinen Laut. Es kam zu plötzlich, und es war zuviel, als daß sie es ohne weiteres hätte verkraften können: die Konsequenzen, die Ironie, der Verrat …
    Aus dem Hörer drang die Stimme eines Mannes an ihr Ohr.
    »Hallo? Hallo?«
    Es war Felix.
    Ellen flüsterte: »Du lieber Gott, nein.«
    »Ellen?« fragte Felix. »Bist du das?«
    »Ja.«
    »Ich habe dir sehr viel zu erzählen, Liebling. Können wir uns treffen?«
    Sie stammelte: »Ich … ich glaube nicht.«
    »Nun hab dich nicht so.« Seine tiefe Stimme klang so schön wie ein altes, kostbares Cello. »Ich möchte, daß du mich heiratest.«
    »Oh, Gott.«
    »Ich wußte, wie sehr du dich freust.«
    »Mein Gott!«
    »Ellen, willst du meine Frau werden?«
    Plötzlich wußte Ellen ganz genau, was sie wollte, und angesichts dieser unerschütterlichen Erkenntnis wurde sie ruhiger. Sie holte Luft. »Nein, das will ich ganz bestimmt nicht «, sagte sie.
    Sie legte auf, stand für einen Moment regungslos da und starrte das Telefon an.
    Dann, langsam und bedächtig, zog sie sich aus und legte ihre Kleidungsstücke in einem ordentlichen Stapel auf einen Stuhl.
    Sie legte sich aufs Bett und wartete auf ihren Ehemann.

33

    Tony Cox war ein glücklicher Mensch. Er lauschte der Musik aus dem Autoradio, während er in seinem RollsRoyce langsam durch die Straßen des East End nach Hause fuhr. Er dachte daran, wie reibungslos alles geklappt hatte. In seiner Hochstimmung
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