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Die Spucke des Teufels

Die Spucke des Teufels

Titel: Die Spucke des Teufels
Autoren: Ella Theiss
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Branntweinfässchen
zerborsten am Boden, ein paar Kohlen häuften sich in der Ecke, Asseln krochen
umher. Denn der Ochsenwirt wusste eine besondere Verwendung dafür. Er sperrte Lisbeth
nackt darin ein, als Strafe, wenn sie ihm nicht gefügig war. Wenn sie einen
Krug zerbrochen hatte. Wenn sie zum Strümpfestopfen einen zu langen Faden
verwendet hatte. Viele Stunden musste Lisbeth in dem Loch bleiben. Bei den
Asseln, die ihr über die Haut krochen, die ihr in die Körperöffnungen krochen,
so fühlte es sich an … Und Lisbeth schlug um sich und schrie und schrie, aber
niemand hörte sie.

    Als der Ochsenwirt gebrechlich und blind geworden war,
hat Lisbeth den Keller ausgeräumt, gesäubert und abgeschlossen, den Schlüssel
gut versteckt. Jetzt sind keine Kohlen mehr in dem Loch, kein Fass, keine
Asseln. Nur Lisbeths Geheimnis, Lisbeths stockfinsteres Geheimnis.

    »Woher weißt du das?«, schreit Lisbeth. Ihr Herz rast. »Bist
der Satan! Ja, bist der Satan!«

    Der Indianer richtet sich auf, verschränkt die Arme vor
dem Brustkorb und schüttelt seinen Kopfputz, dass die Federn flattern. Wie eine
Rauchwolke verblasst er vor Lisbeths Augen. Eine kleine Feder schwebt auf ihren
Schoß nieder.
    Lisbeth betrachtet sie aufmerksam. Es ist eine Bussardfeder.
Sie schimmert samten im Kerzenschein. Bussardfedern bringen Glück.

5          Jost

     
    Aus den Aufzeichnungen eines fahrenden Barbiers, datiert
vom Dezember 1755, entdeckt 1792 in einer Erdhöhle im Reichswald zu Kleve.

    Dienstag, 9. Dezember

    Der Müller ist gar kein solcher Depp, wie ich
anfangs gedacht hab, denn er humpelt nur zum Schein und kann in Wahrheit rennen
wie ein Jagdhund, wenn es drauf ankommt. Das hätt einer von den preußischen
Häschern sehen sollen, wie er vorige Nacht, als nach heftigem Regenguss der
Mühlenweiher anschwoll, mit seinem angeblich lahmen Fuß hinauswetzte, zur
Schleuse hinauf und alles dicht machte mit baumstammdicken Pfosten, die er aus
dem Schober herangeschleppt hat, als wären es Stecken! Die Häscher, die hätten
ihn ohne Federlesens in die Schießgräben von Schlesien gesteckt und hätten ihn
jetzt, wo dort doch alle naselang Krieg ist, gar nicht mehr herausgelassen, eh
ihn die Österreicher erschossen hätten. Der Müller weiß das ganz genau und
verstellt sich. Ich weiß das jetzt auch, aber ich sag es niemandem, denn der
Willem ist mein Freund und zu einem Freund halt ich, auch wenn er alle Welt
verarscht, weil ich ja versteh, warum.

     
    Mittwoch, 10. Dezember

    Auch bei den Weibern zeigt er sich gar nicht
dusselig, der Willem, hat die schöne Ochsenwirtin im Aug, die mir vor einer
Weile auf dem Wochenmarkt begegnet ist und mich nach den Indianern ausgefragt
hat. Und wenn sie in der Kirch hockt, wie vorigen Sonntag, da gafft er sie
verstohlen an und träumt vom Himmelreich, aber einem ganz anderen als dem, was
der Pastor meint.

    Dass es beim Träumen bleibt, des ist er gewiss, sagt
Willem, weil sie schön und vermögend wär, er aber nur ein Krüppel und Pachtmüller,
der zwar sein Auskommen hat, aber ihr nix bieten könnt. So jammert er nun
manchen Abend und säuft sich zu, bis er heulend ins Bett fällt, und ich kann
ihn nicht trösten, denn es könnt schon sein, dass sie andere Pläne hat, als
einen Pachtmüller zu ehelichen, weil seit einiger Zeit viele preußische Gäste
zu ihr zum Essen kommen, hohe Militärs vor allem, aber auch Kreisbedienstete,
die erzählen, dass ihre Küche vortrefflich wär und speziell eine Suppe aus
Kartoffeln wär köstlich, was aber keiner am Ort glauben will, und es heißt, sie
würd lügen und was anderes an die Suppe tun, irgendeinen Zauber, sodass die
Preußen alleweil davon essen wollen.

    Wer die Ochsenwirtin erringt, der hat jedenfalls
ausgesorgt für sein Leben, denn sie hat keine männlichen Anverwandten, sodass
das Wirtshaus ihr ganz allein gehört mitsamt einem großen Garten und eigenem
Brunnen.

    Und sie selber ist wahrhaftig ansehnlich, mag ein gutes
Dezennium älter sein als ich, hat aber ein zartes und ebenmäßiges Angesicht und
noch alle Zähne. Was Wunder, sie würd mir auch gefallen, wenn sie nicht so
ernst dreinblickte aus ihren verhangenen steingrauen Augen, dass mir manchmal
das Lachen gefriert. Sie würd nur deshalb so dreinschauen, weil ihr Mann jetzt
tot wär, sagt der Müller, und weil sie ihren Mann gewiss lieb gehabt hätt. Die
Hassumer glauben das aber nicht, sondern sagen, sie würd deshalb so traurig
dreinschaun, weil sie Angst hätt, man könnt
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