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Die Spucke des Teufels

Die Spucke des Teufels

Titel: Die Spucke des Teufels
Autoren: Ella Theiss
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ihren Adern. Amalie von Preußen! Die jüngste Schwester des
Preußenkönigs. Das muss sie sein. Und sie kommt zu Lisbeth! Wegen der
Kartoffelsuppe? Das wäre doch – verrückt wäre das!

    Mit mildem Lächeln nickt die Prinzessin ihren Bewachern
zu und huscht in die Gaststube. In einen samtenen blauen Mantel ist sie
gehüllt, aus dem ein eierschalenweißes Seidenkleid herausblitzt. Sie riecht wie
ein einziger Maiglöckchenstrauß. Mit der bloßen Hand streicht sie über die
blanken Fensterscheiben, die weiß gehobelten Tische, flaniert durch die
Gaststube, als handele es sich um einen prächtig angelegten Garten. Ihre
Reifröcke rascheln. Lächelnd betrachtet sie die tönernen Kuchenformen auf dem
Sims, die grob geschmiedeten Gerätschaften am Ofen.

    »Enlevé!«, jubelt sie und nickt ihrer Gesellschafterin
zu, die neben Major Kreutzer am Eingang wartet. »Bien arrangé! Propre!«

    Andächtig verharrt sie vor dem Ölgemälde an der langen
Wandseite, das die heilige Irmgard von Aspel bei der Speisung armer und kranker
Wanderer zeigt – im Hintergrund der Kölner Dom.

    »Und Ihr arrangiert dieses Maison allein?«, fragt sie,
schickt Lisbeth ein Lächeln quer durch die Gaststube.

    Lisbeth senkt sofort den Blick und fällt in einen tiefen
Knicks. Es schickt sich nicht, eine Prinzessin anzustarren, auch wenn sie sich
noch so seltsam benimmt. »Ja, Majestät, allein! Mein Mann ist kürzlich gestorben.«
    »Ach, mein Beileid! Kinder?«

    »Leider nein, Majestät.«

    »Grämt Euch nicht! Sagt doch der Volksmund, dass Kinder
zuerst dem Rücken wehtun und hernach dem Herzen.« Aufseufzend, als wisse sie
genau, wovon sie spricht, nimmt die Prinzessin am kleinsten Tisch Platz, legt
ein perlenbesticktes Beutelchen neben sich ab und faltet die weißen Hände. »Nun
wäre es mir kommod, mich von Eurer Cuisine zu überzeugen, liebe Frau Wirtin.
Seid Ihr bereit, mir eine Tasse Eurer viel gepriesenen Soupe de Tartüffel zu
servieren?«

    Lisbeth braucht keinen Hahnenschrei lang, um sich die
Frage zu übersetzen, sie wiederholt ihren Knicks und eilt in die Küche. Liebe
Frau Wirtin hat die Prinzessin gesagt. Und Ihr anstatt sie oder du. Nicht nur aus Versehen, immerzu sagt sie Ihr und Euch!

    Stimmt es womöglich, was der Müller immer erzählt? Dass
nämlich der neue König befunden habe, vor Gott seien alle Menschen gleich?
Weshalb sogar ein Adliger den Ärmsten der Armen mit Respekt begegnen müsse? Ein
französischer Gelehrter, mit dem der König gut Freund ist, soll es so gesagt
haben. Sogar aufgeschrieben soll er es haben. In einem Buch!

    Das silberhelle Lachen der Prinzessin dringt aus der Gaststube,
dann ein gekünsteltes Kichern. Das wird die Gesellschafterin sein.

    Lisbeth hievt den vorbereiteten Gusseisentopf aus der
Kühlkammer und hängt ihn an den Haken über dem Herd. – Oder ist es nur so eine
Mode, sich mit dem einfachen Volk abzugeben? Mit seiner Art zu wohnen und zu
essen? So wie sich viele hochwohlgeborene und vermögende Menschen neuerdings
mit Käfern und Spinnen abgeben und sie als ›Wunderwerke der Natur‹ preisen.

    Ja, so wird es sein! Und gewiss ist es keinesfalls von Vorteil,
wenn der Adel sein Augenmerk auf einen richtet. Man muss auf der Hut sein. Die
Spinnen und Käfer spießen sie bei lebendigem Leib auf, lassen sie durch ein
Gift erstarren und hängen sie in Bilderrahmen an die Wand. Lisbeths Ergriffenheit
macht einem stillen Zorn Platz.
    Sie bückt sich zum Feuer, bläst in die Flammen, dass sie
auflodern, spuckt in die Suppe. Spuckt noch einmal. Preußen bleiben Preußen,
auch wenn sie nach Maiglöckchen riechen und Ihr und Euch zu einem
sagen.

    Da fällt ein monströser Schatten auf die Wand hinter dem
Herd. Lisbeth fährt herum. Hinter ihr steht Major Kreutzer, zieht sein Froschmaul
bis zu den Ohren und lässt seinen Blick an Lisbeths Gestalt auf und ab wandern.

    »Mir ist aufgetragen, die Abfälle zu inspizieren«, sagt
er. Sein Blick ist friedfertiger als bei ihrer letzten Begegnung.

    Lisbeth dreht sich wieder zur Kochstelle. Sie hat verstanden.
Eine preußische Prinzessin ist keine Hannoveraner Comtesse. Sie muss wahrhaftig
um Leib und Leben fürchten, vor allem am Niederrhein. Lisbeth ergreift den
Eimer mit den Kartoffelschalen, leert ihn über der Anrichte aus und lässt den
Major damit allein. Sie wischt ihre Hände an der Schürze ab und wendet sich
wieder der Suppe zu, deren Fettkruste sich unter der Hitze verflüssigt und eine
sämige Masse offenbart.

    Der Major brummt. Es
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