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Die Spucke des Teufels

Die Spucke des Teufels

Titel: Die Spucke des Teufels
Autoren: Ella Theiss
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»Will sie damit etwa sagen, sie sei
übervorteilt worden? – Sprich sie nur frei heraus!«
    Wenn die Obrigkeit einen auffordert, frei heraus zu sprechen,
dann darf man das nicht wörtlich nehmen. Es wird im Gegenteil erwartet, dass
man schweigt und demütig zu Boden schaut. An diese Regel hält sich Lisbeth seit
ihrer Jugend.

    »Überlege sie genau, ob sie die Überbringer des Geldes
beschuldigen will. Ob sie Zeugen dafür hat. Und ob diese Zeugen aussagen
werden, dass sie tatsächlich nur einen Gulden bekommen hat. Und nicht sieben!«

    Lisbeth sieht auf, ortet den Lulatsch mit den pflaumenblauen
Lidern in der langen Reihe der Gardisten. Wie ein Strich steht er zwischen den
anderen und starrt auf seine Stiefelspitzen.

    »Sag nichts, sag ja gar nichts«, ruft ihr die Mutter zu,
die ausnahmsweise am helllichten Tag aus einem Sonnenstrahl durch den
Wolkenhimmel bricht und durch das Fenster gleißt.

    »Nun gut.« Der Leutnant räuspert sich und gewinnt seinen
versöhnlichen Tonfall wieder. »Im Stall sind ja Hühner. Die mag sie heute
braten!«

    »Bitte nicht die Hühner, Herr! Ich brauche die Eier doch
dringend zur Adventszeit. Bitte nicht die Hühner!«

    »Für heute nur zwei! Alle anderen Hühner bleiben ihr natürlich,
wenn sie für die restlichen Tage genug Fleisch und Wurst beschafft.« Der
Leutnant macht eine auffordernde Kopfbewegung, worauf zwei Gardisten durch die
Tür verschwinden.

    Lisbeth hat drei Hühner und einen Hahn. Einen schönen
jungen Hahn. Dessen Klagegeschrei gellt jetzt in ihren Ohren, dann das
Geflatter der Hühner, ihr heiseres Kreischen. Lisbeth schlägt die Hände vors
Gesicht, weint hemmungslos wie ein Kind. Die aufgereihten Gardisten
verschwinden die Treppe hinauf, auch der Lulatsch.

     
    Am nächsten Tag prüft Lisbeth traurig ihre
Vorräte. Ein paar Knochen und Knorpel von den Hühnern sind noch übrig, dazu ein
Rest fetten Specks. Das könnte zusammen was hermachen – in einem Eintopf! Mit
Bohnen oder Rüben wäre es einfach. Doch Rüben hat Lisbeth keine mehr. Und
Bohnen? Bohnen machen anhaltend satt und geben Kraft. Das kann auch ein
Leutnant von Diest nicht abstreiten. Natürlich gibt es noch welche im
Leinensäckchen am Hochgesims, Lisbeths Notration für lange und strenge Winter.

    Lisbeth schickt einen Blick hinauf, sieht das Säckchen in
seinem mottensicheren Versteck baumeln, steigt auf einen Stuhl und prüft den
Inhalt. Bunte Wachtelbohnen sind darin, alle unversehrt, mit fester, glänzender
Schale. Nein, die will sie behalten.

    So ein Eintopf müsste auch mit Kartoffeln zu kochen sein.
Sie zündet die Kerze an, die gleiche wie am Vortag.

    »Indianer?«, flüstert sie. Ein paar Funken aus dem Ofen
und schon steht er da, verschränkt die Arme und lässt seine Muskeln spielen wie
ein Zirkusathlet. Lisbeth wird verlegen, er ist wirklich zu schön, um wahr zu
sein.

    »Geht das, Kartoffeleintopf?«, fragt sie sachlich.

    Er nickt, hockt sich auf einen nicht vorhandenen Schemel
am Küchentisch, schält wieder Kartoffeln und schnitzt sie klein. Die Stückchen
lässt er in kaltes Wasser fallen. Lisbeth denkt nach. Solch kleine
Kartoffelstücke werden zu einem Mus zerfallen. Sie setzt sich zu ihm, schält,
schnippelt und bald ist der Kessel voll. Sie gibt die Huhn- und Speckreste dazu,
auch Petersilienwurzel und Sellerie. Der Indianer schreitet Küche und
Vorratsraum ab, reicht Lisbeth Salz, getrockneten Liebstöckel, etwas Senfsaat
und Sahne. Sie würzt, schmeckt ab. Wunderbar! Trotz der vielen Kartoffeln!

    »Aber es wird ihnen wieder an Fleisch fehlen«, seufzt
sie. »Und ich hab keins. Morgen werden sie mir gewiss die letzten Hühner
nehmen! Es ist hoffnungslos!«

    »How«, sagt der Indianer und hebt die Hände wie der
Pfarrer beim Segen, kniet nieder und trommelt mit den Fingerkuppen eine
unbekannte Melodie.

    Da tut sich ein Spalt im Boden auf, deutlich erscheint
der Keller vor Lisbeths Augen. Der Keller mit dem Vorratsschrank, den
Bierfässern, dem alten Pferdehalfter, das Lisbeth schon lange flicken lassen
will, dem Eichenstuhl mit den eingeritzten Runen, dem ein Bein fehlt … Weiter
und weiter trommelt der Indianer, da bricht an der rückwärtigen Wand der
Kellerboden auf. Darunter ist das Loch! Das kalte, stockfinstere Loch. Wie eine
Höhle ist es in einen Fels eingelassen und mit einer Klappe aus Eisen
verschlossen. Die Vorfahren des Ochsenwirts sollen dort ihre Vorräte vor plündernden
Soldaten versteckt haben. Vor Jahren lag da noch ein
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