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Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)

Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)

Titel: Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)
Autoren: Heiner Wacker
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Heike Willmann, seine persönliche Verwaltungskampfsportsekretärin entgegen. Sie hat hektische rote Flecken im Gesicht, was ungewöhnlich ist, denn in der Regel ist Heike die Ruhe in Person.
    «Herr Ederim, Herr Ederim, gut, dass Sie kommen. Der Stadtdirektor hat schon viermal angerufen und der Präsident will Sie dringend sprechen. Dringend. Sagt er jedenfalls. Und alle möglichen anderen Leute auch. Ich habe Ihnen eine Liste auf den Schreibtisch gelegt.»
    «Was heißt hier: Gut, dass Sie kommen. Ich war gar nicht weg. Ich habe seit achtundvierzig Stunden kein Auge mehr zugemacht. Was will der Stadtdirektor denn von einem armen Bullen wie mir? Der redet doch sonst nur mit der Presse.»
    «In seinem Garten ist ein Baum umgefallen. Von der Detonation. Der Herr Stadtdirektor möchte wissen, was Sie dagegen zu unternehmen gedenken.»
    «Gegen den Baum? Keine Ahnung. Verhaften vielleicht. Ist der Baum auf irgendetwas draufgefallen? Das wäre vorsätzliche Sachbeschädigung. Schick jemanden hin. Die sollen ihn anpflocken. Ihm seine Rechte vorlesen. Ihn einschüchtern. Zweige hoch! Und lassen Sie die Blätter fallen. Was weiß ich. – Sonst noch was?»
    Heike Willmann verdreht die Augen.
    «Ja, den Chef anrufen. Sofort!»
    «Was will er denn?»
    «Bitte!»
    Erkan Ederim knurrt etwas Unliebenswürdiges auf Türkisch, der Sprache seiner Vorvorväter und hetzt in sein Büro. Noch bevor die Tür mit einem satten Schmatzen ins Schloss fallen kann, hat er das Fon gepackt und gewählt.
    «Hallo, Cheffe. Was gibts denn?»
    «Ich habe Ihnen schon zigmal gesagt, dass Sie mich nicht Cheffe nennen sollen. Kommen Sie hoch. Kleiner Sitzungsraum, fünf Minuten.»
    «Jawohl, Herr Präsident. Avec plaisir. Enchantez.»
    Er legt auf.

v Kunst ohne Grenzen
    Der Kanonengraben war schon immer eine von Münsters feinen Adressen. Und jetzt ist die Adresse noch feiner geworden. Die Stadtmauer von Münster-Zentral, die bis zum alten Ludgerikreisel auf dem Areal der alten Promenade verläuft, macht hier einen Knick und schließt mit einem großzügigen Schlenker einen Teil des Aasees und des Schlosses ein, bevor sie auf der Höhe der Einmündung der Grevener Straße wieder langsam zurück auf die Promenadentrasse findet. Gerade diese Nähe zu Schloss, See und natürlich Musikhalle macht den Kanonengraben bei den betuchten Restmünsteranern zu einer so begehrten Wohngegend.
    Das Anwesen mit der Hausnummer fünf beherbergt Carsten Klunckers Arbeitgeber Martin Freiherr von der Hohen Ward. Alter Landadel, der sich aus sozialen Gründen zur Landflucht veranlasst sah. Angenehmerweise gab es vor fünfzehn Jahren, als das Problem für viele reiche Gutsherren akut wurde, noch einen großzügigen Restetat aus den Töpfen der Europäischen Union, der für die Region durch die Landwirtschaftskammer Münster verwaltet wurde. Da Ackerbau und Viehzucht in industriellen Maßstäben im Zuge der allgemeinen Entwicklung mehr oder minder erlahmten, konnte der Etat von immerhin fast eine Milliarde Euro jährlich für den zügigen Um- und Ausbau des Stadtzentrums und zur stilvollen Wiedereingliederung der betuchten Landbevölkerung verwandt werden. Nun darf Münster-Zentral sich mit Fug und Recht wieder als Perle innerhalb der nun nicht mehr so gepflegten Parklandschaft des Münsterlandes bezeichnen. Eine Perle, die der umsichtigen Pflege bedarf. Durch Menschen wie Carsten Kluncker, den zum schlichten Gärtner transmutierten ehemaligen Landschaftsarchitekten und Leiter des verschiedenen Amtes für Grünflächen, Stadtentwässerung und so weiter. Der Weg nach unten ist schwer, aber er ist zu schaffen.
    Carsten hat nach mehreren intensiven Inaugenscheinnahmen durch die Sicherheitskräfte das erste Tor passiert und schiebt sein Fahrrad in die ausladende Sicherheitsschleuse, um sich scannen zu lassen. Der Aufwand erschien ihm in früheren Tagen immer unangemessen, aber nach den Erfahrungen der letzten Zeit – speziell der Attacke am Vorvortag – hat er seinen Standpunkt korrigiert. Geduldig wartet er ab, bis der Bodenscanner seinen Weg unter der ganzflächigen Panzerglasabdeckung der Schleuse beendet hat und die orange blinkende Hochenergielichtquelle vor der zweiten Schleusentür erloschen ist. Schließlich öffnet sich das Tor und Carsten darf das Grundstück betreten.
    Obwohl es auf das Jahresende zugeht und die Gartenanlage sich blühtechnisch nicht auf voller Höhe zeigt, kann sich Carsten eines gewissen Gefühls des Stolzes nicht erwehren. Auch jetzt ist der
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