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Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)

Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)

Titel: Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)
Autoren: Heiner Wacker
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kleckern Sie nicht alles voll.»

vii Energiever(sch)wendung
    Energie ist knapp geworden. Kein Wunder, denn der weltweite Bedarf ist explodiert. Einerseits natürlich, weil die Weltbevölkerung gewachsen ist – bis zum Jahr zweitausendfünfzig sollen es fast zehn Milliarden Menschen sein –, andererseits, weil die bevölkerungsreichen Länder Afrika, China und Indien über stark expansive Volkswirtschaften verfügen, die den Primärenergieverbrauch pro Kopf drastisch nach oben getrieben haben, und zwar in weit stärkerer Progression, als es in den alten Industrienationen USA, Europa und Japan einst der Fall war. Eine Entwicklung, die sich zu Beginn des Jahrtausends bereits abzeichnete, deren Implikationen auf die wirtschaftliche Entwicklung Europas aber keiner wahrhaben wollte. Jetzt sind die heimischen Lager leer, zumindest was fossile Brennstoffe wie Erdöl, Erdgas, Braun- und Steinkohle betrifft. Nachdem zweitausendundzwanzig die Reaktorblöcke B und C im schwäbischen Gundremmingen schmolzen und das Areal zwischen Ulm, Memmingen, Augsburg und Nördlingen zu einem Reservat für Isotopen machten, war auch die ewige Diskussion um einen möglichen weiteren Ausbau der Kernenergie – jenseits der alten ungelösten Probleme der Müllentsorgung – endgültig ausgesetzt. Industrieunternehmen und große Dienstleister hatten zwar versucht, einen Teil ihres Energiebedarfs durch den Bau von durch Klär- und Biogas befeuerten Blockheizkraftwerken mittelfristig selbst zu decken, waren aber an der Hürde der internationalen Wettbewerbsfähigkeit gescheitert. Erst durch den Rückgang der allgemeinen Wirtschaftsleistung ergab sich eine Nivellierung von Energieangebot und -nachfrage. Heute sind energieintensive Technologien nur noch dort zu finden, wo Energie in ausreichender Menge vor Ort zu finden oder zu erzeugen ist, zum Beispiel in Zentralafrika oder in der Sahara.
    Während das alte Deutschland durch die große Wirtschaftskrise im Jahr zweitausendfünfundzwanzig quasi über Nacht zum Agrarland wurde, gelang es den privaten Haushalten durch einen Wegfall größerer Teile der ursprünglich erforderlichen Arbeitsmobilität und eine durch die daraufhin einsetzende Stadtflucht gestiegene Dezentralisierung die entstandenen Versorgungslöcher mittels Solar- und Windenergieanlagen zu stopfen. Gerade in ländlichen Bereichen wurden zunehmend Windräder zur privaten Stromerzeugung eingesetzt, die mit immer leistungsfähigeren Rotoren eine immer höhere Effizienz erzielten und in Verbindung mit neuartigen Siliziumenergiespeichern eine fast flächendeckende Versorgung sicherstellen konnten, wenn auch auf niedrigem Niveau. Mit dem Trend zu immer besser isolierten Häusern, die ganzjährig auf eine Energiezufuhr zu Heizzwecken verzichten, konnte die letzte für das Gros der Restbevölkerung noch klaffende Versorgungslücke geschlossen werden.
    Landwirtschaft in industriellem Maßstab ist ebenfalls nicht mehr möglich und nötig, da aufgrund weggebrochener Absatzmärkte, des Rückgangs der Bevölkerung und des Wegfalls der immensen Agrarsubventionen eine wirtschaftliche Begründung nicht länger evident war. An ihre Stelle ist – da überall in Deutschland Ackerbau und Viehzucht möglich sind – eine ortsnahe Versorgung durch landwirtschaftliche Kleinbetriebe getreten, sodass der Ostfriese tatsächlich in den Genuss der Milch ostfriesischer Kühe kommt und der Bayer bayerische Butter essen kann und darf. Biokraftstoffe – vorzugsweise aus Raps – ermöglichen den Betrieb der nach wie vor notwendigen agrartechnischen Nutzfahrzeuge wie Trecker, Zugmaschinen und Mähdrescher. Auch Pferde – lange Zeit nur Sportgeräte oder psychosoziale Hilfsmittel bei der Aufzucht betuchter Bürgertöchter – werden wieder häufiger vor einen Wagen gespannt.

viii Schlechtes Gewissen
    Carsten sitzt auf der Bank vor seinem Gartenhäuschen und nippt an einem selbst gebrauten Bier, das er in seiner leicht lädierten rechten Hand hält. Eigentlich ist es zu kalt für einen längeren Aufenthalt an der frischen Luft, aber Carsten ist ein Naturbursche und geschlossene Räume sind ihm suspekt. Erschwerend kommt hinzu, dass Helmut, sein neuer Untermieter, einen ausgeprägten Hang zu kapriziösem Verhalten zeigt und etwaiges Missfallen in Bezug auf bestimmte Aspekte ihrer Zwangsgemeinschaft unmissverständlich äußert. Bevor Carsten sich entscheiden kann, wie der weitere Verlauf des späten Nachmittags aussehen könnte, quietscht das Gartentürchen und sein
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