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Die Sprache des Feuers - Roman

Die Sprache des Feuers - Roman

Titel: Die Sprache des Feuers - Roman
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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strampelt, zerrt an Jacks Handgelenken, aber Jack bleibt eisern, auch als die nächste Welle kommt und über ihnen zusammenkracht. Während sich Nicky windet und bäumt, denkt Jack an das Feuer im Teppichlager, an Porfirio Guzman, die zwei toten Vietnamesen, an George Scollins und sein eigenes, verpfuschtes Leben. Und stößt Nicky tiefer ins Wasser, bis hinab zu den Steinen, die vom abfließenden Wasser fortgerissen werden. Nickys Gesicht taucht aus der Gischt auf, er sieht Nickys vorquellende Augen und hört sich brüllen: »Willst du einen Deal, Nicky? Hier hast du deinen Deal!«
    Hört sich selbst brüllen.
    Und lässt los.
    Zerrt Nicky am Kragen aus dem Wasser und lässt ihn fallen.
    Nicky hustet und spuckt und schnappt nach Luft.
    Jack könnte schwören, dass er einen Hund bellen hört.
    Über ihnen auf dem Hochufer liegt die Wohnanlage Monarch Bay.
    Die Bäume brennen.
    Die Schornsteine gehen hoch.
    Und Jack rennt los.

134
    Sie hält ihn fest im Arm, damit er nicht friert.
    Schützt ihn vor dem kalten Seewind.
    Evakuierung, hatte die Lautsprecherstimme gerufen, und das bedeutet so viel wie Flüchten. Sie ist mit Michael aus dem Haus gerannt, bevor das Feuer von den Bäumen auf das Dach übergegriffen hat.
    Raus auf den Rasen und dann auf die Straße. Die Leute laufen zum Highway, aber Natalie ist überzeugt, dass die alle falsch laufen, geradewegs ins Feuer.
    Sie überlegt sich, dass es am Strand viel sicherer sein muss. Wenn das Feuer auch dorthin kommt, können sie immer noch ins Wasser springen und schwimmen, bis es vorbei ist.
    Sie nimmt Leo in den Arm und Michael bei der Hand und sie laufen Richtung Ozean. Die Treppe zum Strand hinunter, zum Salt Creek Beach, wo Tante Letty mit ihnen Bodyboarding geübt hat. Dort haben sie öfter Picknick gemacht, in den Felstümpeln nach Krabben und Schnecken gesucht.
    Wenn Tante Letty uns sucht, kann sie uns dort finden, denkt Natalie.
    Jack rennt am Strand entlang, das Hochufer steht in Flammen, von Monarch Bay steigt dicker Rauch auf, man sieht kaum etwas, er weiß nicht, wie er nach Michael und Natalie suchen soll, er kann nur hoffen, dass sie in Sicherheit sind, dann hört er den Hund kläffen.
    Die Kinder erkennen ihn wieder.
    Laufen ihm entgegen. Endlich ein Erwachsener, den sie kennen.
    »Wo ist mein Daddy?«, fragt Michael.
    Große dunkle Augen voller Tränen.
    »Wo ist Tante Letty?«, fragt Natalie.
    »Ich weiß nicht«, sagt Jack. »Habt ihr sie irgendwo gesehen?«
    Natalie dreht eine Pirouette vor lauter Angst.
    Sie muss hier irgendwo sein, denkt Jack. Aus dem gleichen Grund wie ich. O Gott, hoffentlich ist sie nicht in dem Haus.
    »Es wird alles gut.« Jack umarmt die beiden Kinder. »Es wird alles gut.«
    Weil Erwachsene eben lügen.
    Die Mutter der beiden Kinder ist tot.
    Der Vater hat sie umgebracht.
    Und die Einzige, die diese beiden Kinder wirklich liebt, sucht nach ihnen, wo sie nicht sind – in einem brennenden Haus.
    Und irgendwo in den Kulissen lauert Mütterchen Russland.
    »Es wird alles gut«, ruft er und rennt weiter, hinauf zum Haus.
    Es steht in Flammen, er geht trotzdem hinein.
    Man sieht nichts, kann nicht atmen, überall Rauch.
    »Letty! Letty!«
    Er tastet sich die Treppe hoch zum Kinderzimmer.
    Da liegt sie, auf dem Bett, mit dem Gesicht nach unten.
    Er dreht sie um.
    »Bitte, stirb nicht.«
    Sie ist bewusstlos, sie atmet noch. Er schultert sie und hastet zur Treppe.
    Die schon brennt.
    Zu viele Flammen, zu viel Rauch.
    Es hilft nichts, er muss durch.
    Schafft es runter, schafft es raus auf den Rasen. »Bitte stirb nicht!«
    Sie liegt auf dem Rasen, fängt an zu husten, dann macht sie die Augen auf. Als sie wieder sprechen kann, fragt sie nach den Kindern.
    Er trägt Letty die Treppe hinunter zum Strand.
    Dort unten steht Nicky, die Arme schützend um seine Kinder gelegt.
    Jack geht zu ihm und flüstert ihm etwas ins Ohr.
    Machen wir einen Deal.

135
    Am nächsten Nachmittag.
    Die Sonne steht hoch am Himmel und brennt auf eine verkohlte Landschaft herab. Ascheflocken treiben im sanften Wind.
    Jack wartet in einem alten Pickup auf dem Parkplatz von Dana Strands Beach. Neben ihm kaut Letty an einem abgebrochenen Fingernagel.
    »Er kommt bestimmt«, sagt Jack.
    Sie nickt und beschäftigt sich weiter mit ihrem Fingernagel.
    Fünf lange Minuten verstreichen, dann sieht Jack den schwarzen Mercedes, der sich auf der Selva Road durch die Kurve bewegt und auf den Parkplatz einbiegt.
    »Sie kommen«, sagt er.
    Der Mercedes hält. Dani steigt aus,
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