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Die Spinne (German Edition)

Die Spinne (German Edition)

Titel: Die Spinne (German Edition)
Autoren: Olen Steinhauer
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hinaufstieg, begriff er, dass er nicht sterben würde. Ein großer, muskelbepackter Schwarzer wartete auf ihn.
    Der Mann stellte sich nicht vor, aber er war freundlich. Er bot Alan etwas zu trinken an und brachte ihm mit bescheidenem Lächeln das erbetene Wasser. Er hatte einen afrikanischen Akzent, den Alan nicht zuordnen konnte, und als er fragte, war die Antwort: »Ich komme vom Schwarzen Kontinent. Mehr müssen Sie nicht wissen.«
    »Ist das unser Ziel?«
    Der Mann setzte ein ansteckendes Grinsen auf. »Schnallen Sie sich an.«
    In der Luft wusch er sich, so gut es ging, in dem kleinen Bad und zog einen anthrazitgrauen Anzug mit rosa Krawatte an, der ihm erstaunlich gut passte.
    Die Piloten bekam er nicht zu Gesicht, auch nach der Landung in Hongkong blieb die Cockpittür geschlossen. Der muskelbepackte Mann führte ihn hinunter zur Rollbahn, und sie steuerten auf ein weiteres zweimotoriges Flugzeug zu, eine graue Lockheed Martin mit französischer Markierung. Das Prozedere war das Gleiche – diesmal bot man ihm einen Teller mit Lachs und gemischtem Gemüse an –, und auch hier blieben die Piloten unsichtbar.
    Inzwischen war die Sonne aufgegangen, und er konnte die Bewegung des Flugzeugs über Wasser und Berge mitverfolgen. Als sie wieder ausstiegen, wartete eine von rotem Sand halb verdeckte Piste auf sie. Dank seiner vagen Navigation vermutete er, dass sie in Pakistan waren. Als er Genaueres wissen wollte, lächelte sein Begleiter. »Wissen Sie, ich bin mir auch nicht ganz sicher. Aber ich glaube, wir sollten uns lieber beeilen, sonst verpassen wir noch unseren Anschlussflug.«
    Die nächste Maschine war erheblich größer, ein Airbus A320 mit über hundert Plätzen, doch auch hier waren sie die einzigen Passagiere. Diesmal schlief Alan einige Stunden, ehe ihn der Schwarze mit sanftem Schütteln an der Schulter weckte. »Wir sind da.«
    Als er durchs Fenster blickte, erkannte er, dass sie bereits auf einer alten, von Felsbrocken und wucherndem Gras gesäumten Rollbahn gelandet waren. Um sie herum erhoben sich Berge. Statt eines Flugzeugs wartete ein roter Kleintransporter mit italienischem Kennzeichen auf sie. Vorn saßen zwei schmierige Typen bei laufendem Motor, und er stieg mit seinem Begleiter durch eine Schiebetür an der Seite ein. Links und rechts gab es je eine Bank, und zwischen ihnen und den Männern vorn erhob sich eine Wand. Als der Beifahrer die Tür schloss, wurde es dunkel. Die Dunkelheit setzte sich in Bewegung.
    »Das wird eine lange Fahrt«, erklärte der Afrikaner. »Bleiben Sie einfach gelassen, okay?«
    »Wollen Sie mir noch immer nicht verraten, wohin wir fahren?«
    »Für ihn geht Sicherheit vor Komfort.«
    »Für ihn?« Alan musste an den er denken, dem Xin Zhu keine Gefälligkeiten mehr erweisen wollte.
    »Nur ein paar Stunden noch.« Plötzlich leuchtete ein kleines Licht auf, als der Mann sein Telefon einschaltete. Er wählte eine Nummer und sagte auf Französisch: »Wir sind unterwegs.« Pause. »Ja, alles.« Pause. »Okay.« Er schaltete ab, und es wurde wieder still. »Ich soll Ihnen ausrichten, dass alles in Ordnung ist. Er will, dass Sie das wissen. Keine Angst.«
    »Warum interessiert er sich dafür, wie ich mich fühle?«, fragte Alan nach einer Weile.
    »Keine Ahnung, ob das so ist, aber er ist wohl der Meinung, dass Sie ziemlich viel davon verstehen, wie man abhaut.« Pause. »Stimmt das?«
    »Wahrscheinlich das Einzige, was ich beherrsche.«
    Wie angekündigt dauerte die Fahrt lange – über vier Stunden –, und er spürte jede Erschütterung, wenn der Transporter über Bodenwellen oder Schlaglöcher rollte. Zum Teil jagten sie über Autobahnen, zum Teil, vielleicht in Städten, mussten sie das Tempo verkehrsbedingt drosseln. Als sie endlich stoppten, waren ihm die Beine eingeschlafen.
    Der Mann fragte: »Bereit?«
    Alan klopfte sich auf die kribbelnden Schenkel. »Klar.«
    Der Afrikaner zog die Seitentür auf und stieg aus. Gequält kniff Alan die Augen zusammen und hob die Hand, um sich vor dem grellen Licht zu schützen. Einen Moment lang war alles weiß, dann drangen die Fassade einer Bank namens BHI und ein Gehsteig mit Steinplatten zu ihm durch.
    »Kommen Sie bitte.« Der Mann streckte ihm den Arm entgegen.
    Alan wollte niemanden berühren, also kletterte er allein hinunter. Er roch Wasser in der Luft. Rechts und links erstreckte sich uneben eine alte europäische Straße an einem Hafen, doch erst als ihn sein Begleiter zu einer Tür mit Schnitzereien neben der
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