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Die Spieler

Die Spieler

Titel: Die Spieler
Autoren: Markus Griesheim
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Henk van de Hoogten antworten kann, winkt Palmstedt noch einmal die
Bedienung herbei.
     
„Was möchtest du trinken... oder essen?“
     
Van de Hoogten entscheidet sich für ein alkoholfreies Bier und die Gemüseterrine.
     
„Bist du krank, alter Holländer?!“ fragt Palmstedt ungläubig.
     
„Ne, lass mal, ich muss langsam auf die Bremse treten“, kommentiert van de
Hoogten seinen Entschluss und fasst sich mit beiden Händen prüfend in die Bauchreifen.
     
„Hier, ich hab’ dir was mitgebracht.“
     
Van de Hoogten zieht aus seiner Aktentasche eine dünne, grüne Mappe hervor. Sie enthält
den Bericht der Spurensicherung und Fotos des Leichenfunds beim Hochzeitsschiff.
     
„Die Mappe kannste behalten, es ist ’ne Kopie.“
    Stumm nimmt Palmstedt die Mappe entgegen. Die Bedienung stellt die Terrine und das
Bier vor van Hoogten auf den Tisch. Palmstedt wartet, bis sie wieder weggegangen ist. Dann
öffnet
er
die
Mappe. Während
van
de
Hoogten
seine
Mahlzeit
einnimmt,
blättert
sich
Palmstedt schweigsam durch die Akte. Auf einer Seite verweilt sein Blick etwas länger,
bevor er mit ausdruckslosem Gesicht, dem van de Hoogten doch die Anspannung anmerk t,
zuklappt und vor sich auf den Tisch legt. Es war das Foto von Kowalczyk. Auf dem er in dem
Zustand zu sehen ist, in dem ihn Palmstedt hinterlassen hat. Auf seinem entblößten rechten
Unterarm sind deutlich drei eintätowierte rote Türme mit Drachenköpfen zu sehen. Sie
scheinen auf einer schwarzen Wolke zu schweben und schauen nach unten.
    „Hm, der große Turm ist identisch mit dem auf dem Ring. Auch d
ie
Drachenköpfe stimmen. Aber Kowalczyk hatte drei Türme auf der Haut. Einen großen in der
Mitte, zwei kleinere daneben. Eine Burg“. Palmstedt nimmt einen letzten Schluck aus seinem
Glas. „Was ist mit der Kette?“
    „Scheint billiger Kaufhausschmuck zu sein. Sein Sternzeichen.“ antwortet van
de Hoogten mit halb vollem Mund, bevor er mit einem Schluck Bier hinterherspült. „Denkst
Du, es besteht da eine Verbindung?“
    Palmstedt winkt nach der Bedienung, macht ein Zeichen für eine neue Runde . A ncora una
volta. Nach einigem Nachdenken zuckt er mit den Schultern. „Woher soll ich das wissen,
verdammt?! Und was hab ich damit überhaupt noch zu tun?“
„ Nichts, ich dachte nur , es interessiert dich vielleicht. Immerhin...“
     
Doch van de Hoogten redet nicht weiter, als die junge Frau für Palmstedt ein neues Glas
bringt. „Für Sie auch noch ein Alkoholfreies?“ will sie von van de Hoogten wissen.
     
„Nein, bringen Sie mir doch lieber ein richtiges Pils“ lautet die Bestellung.
Dann sind sie wieder ungestört.
    „Kowalczyks Le
iche wurde damals an die Kollegen in Krakau übergeben. Was
haben diezu der Tätowierung gesagt? Ein Bandenkennzeichen. Die Höllenhunde oder so?“
nimmt Palmstedt den Gesprächsfaden wieder auf.
„Ja, so etwas in der Art, soweit ich mich erinnere. Steht leider nicht mehr in
unserer Akte. Wir waren damals ja froh, den Fall abschließen zu können.“
    Sie reden. Und trinken. Stellen Vermutungen an. Es ist schon weit nach Mitternacht, als sie
getrennten Weges nach Haus gehen. Natürlich weiß van de Hoogten, dass er heute Abend
gegen alle Dienstvorschriften verstoßen hat, in dem er sich an Palmstedt wandte und ihm den
Ermittlungsstand in diesem Fall offen legte, aber er weiß auch, dass die Mappe bei Palmstedt
in sehr guten Händen ist. Außerdem verspricht er sich bei der Untersuchung des Falls durch
seinen
ehemaligen
Kollegen
und
Vorgesetzten
mehr
als
nur
etwas
Schützenhilfe.
Und
vielleicht ist es für Palmstedt eine zweite Chance.
Die Chance, wieder ins Spiel zu kommen.
     
*
     
„Du bist spät!“
    Mariella sieht Henk van de Hoogten, halb vorwurfsvoll, halb bedauernd über den Rand ihrer
Lesebrille an. Gerne würde sie ihn fragen, woran er im Moment arbeitet, ob er vorankommt, ob er schlimme Dinge gesehen hat. Aber sie haben ein Abkommen. Sein Beruf betritt nicht die Wohnung.
Die schlimmen Dinge , zu denen Menschen fähig sind, werden in ihren Räumen nicht ausgebreitet,
nicht besprochen und nicht bewertet. Dabei geht es ihnen nicht darum, hier die heile Welt zu
wahren. Es geht darum, dass Henk van de Hogten einen Ort hat, an dem er loslassen kann, ohne zu
verlieren. Die Bilder des Tages ausblenden kann, ohne sie zu löschen. Sie reden daher zuhause über
Bücher. Filme. Zeitgeschehen. Oder über Mariellas Tag an der Berufsschule, an der sie Köchen und
Konditoren Fachkundeunterricht
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