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Die Spieler

Die Spieler

Titel: Die Spieler
Autoren: Markus Griesheim
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nicht gleich finden, da die Kästen im Regal
alle gleich aussehen und sich nur durch ein kleines handschriftliches Etikett, das sie außen
aufgeklebt hat, unterscheiden. Sie ist irritiert und nimmt einen Schluck aus der dampfenden Tasse.
Dann fällt ihr Blick nach unten links auf den Kasten, auf dessen Zettel sie Besor Landschaftsbau lesen kann. Sie hätte schwören können, dass sie den Kasten in die Regalmitte geschoben hatte. Da
kommen alle Kästen hinein, die als nächstes fällig sind. Die Mandanten und Firmen, deren
Jahresabschluss zu erstellen ist. Ob die Putzfrau die Kästen um geräumt hat? Heike Petzold hatte ihr
untersagt,
in
ihrem
Arbeitszimmer
zu
putzen.
Schließlich
liegen
hier
vertrauliche
Mandantenunterlagen herum. Aber eigentlich ist ihre Putzfrau sehr zuverlässig. Und fleißig. So wie
Heike Petzold selbst. Es darf nur keiner wissen, dass die Frau, die vor Jahren aus Budapest nach
Deutschland kam, für fünf Euro die Stunde arbeitet. Bar auf die Hand. Im Stillen. Ganz heimlich.
Schließlich ist sie mit verantwortlich für eine korrekte Steueranmeldung der Mandanten und muss
mit gutem Beispiel vorangehen. Schließlich will sie in ein paar Jahren selbst eine Zulassung als
Steuerberaterin erhalten.
    Nachdem sie den Früchtetee fast ausgetrunken hat, ist auch ihr PC endlich so weit. Heike Petzold
startet das Datev-Buchhaltungsprogramm und beginnt, die Zahlen der Besor Landschaftsbau gegen
die Hängeregister, die sie nach und nach aus dem schwarzen Kasten hervorholt und auf ihrem Tisch
ausbreitet, abzugleichen. Die Neugestaltung der Dorfmitte hat der Firma ein sattes Umsatzplus
gebracht im dritten und vierten Quartal. Gegenüber dem Vorjahr haben sich die Umsätze sogar um
fast 300
Prozent erhöht. Frau Soller muss
einen Rückstellungsplan erarbeiten, damit die
Einkommens- und Gewerbesteuernachzahlungen für den Firmeninhaber nicht zu drastisch ausfallen.
Heike Petzold macht sich einen entsprechende Notiz in ihre Kladde, eine Art Schulheft mit
kartoniertem grünem
Einband. Das ist
praktischer als so ein neumodisches Smartphone zu
benutzen, dessen Eingabe
zu umständlich und zu zeitraubend ist. Nichts für
jemand, der
Schreibmaschine und Steno gelernt hat. Spielkram für Sinnentleerte, der die Gesellschaft nicht
weiter bringt. Heike Petzold ist keine Technikverweigerin. Aber es muss sich ihr der Sinn
erschließen. In Zeitersparnis. Oder in Euro.
    Nachdem sie zwei Stunden und einen weiteren Früchtetee später die letzten Abschreibungen und
Korrekturbuchungen eingegeben hat, macht Heike Petzold eine kleine Pause. Ihr Christian hat sich
immer noch nicht gemeldet. Allmählich gerät sie in Sorge. So heftig war ihr Streit doch auch wieder
nicht, dass er sich seit dem Wochenende nicht mehr meldet. Er ist oft protzig wie ein kleiner Junge.
Er lässt sie auch gelegentlich schon mal stehen in der Öffentlichkeit, wenn sie ihm zu bestimmend
wird. Aber bisher haben sich nach wenigen Stunden die Wogen meist geglättet. Ob da etwa doch
eine andere Frau....?
    Sie wird in ihrem Gedankengang unterbrochen, ihr Festnetztelefon klingelt. Schnell greift Sie zum
Hörer. Aber es ist nicht der Anruf, auf den Heike Petzold gewartet hat. Es ist Frau Soller. Heike
Petzold gibt ihr vorab die neuen Zahlen des Landschaftsgärtners durch.
    Dann stellt sie den schwarzen Kasten wieder in das Regal. Dieses Mal gehört er wirklich nach
unten.
Jetzt
sind
alle
Belege
eingegeben.
Jetzt
fehlen
nur
noch
die
privaten
einkommensteuerrechtlichen Sachverhalte. Wie die Versicherungen. Wie die neue Immobilie, die
sich der Landschaftsgärtner im letzten Frühjahr zugelegt hat. In der Waldsiedlung in Wellersheim.
Eine Villa im Taunus. Im Wald der Reichen .
*
    „Henk, wir haben eine Vermisstenanzeige vom Polizeipräsidium in Frankfurt herein
bekommen, die zu der Mainleiche passen könnte. Die vermisste Person wurde am Freitag das letzte
Mal gesehen. Männlich, Mitte 20. Aber kein Pole.“
„Sondern?“ fragt van de Hoogten dazwischen.
    „Hesse. Student an der Uni Frankfurt. Die Freundin hat die Anzeige aufgegeben.“
Yvonne Hassinger legt van de Hoogten die Kopie der Anzeige vor, der die Zeilen halblaut
überfliegt.
„Heike Petzold.... Christian Paulus.... BWL-Student... 1,85 groß, 80 kg... sportlich...
Hm. könnte passen. Was ist mit Familie?“ Van de Hoogten gibt ihr die Kopie zurück.
     
„Eltern beide tot. Geschwister sind im Ausland. Hier gibt es im Taunus nur diese
Heike
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