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Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Titel: Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)
Autoren: Jane Johnson
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verschwunden, ob in seiner Speiseröhre oder den Händen seines Mörders, lässt sich nicht sagen. Aber ich kann unmöglich bleiben, um es herauszufinden, denn jetzt kommt mir erst eine grauenhafte Erkenntnis und dann noch eine.
    Die erste ist, dass ich mit Blut bedeckt bin und mich jeder deutlich als Mörder erkennen kann. Die zweite ist die Erinnerung daran, dass ich den unbezahlbaren Koran auf den Boden legte, bevor ich das Regal mit dem Glas voller Augäpfel wieder zurückschob.
    Ich spüre, wie mir die Galle hochkommt, drehe mich um und sehe meine schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Das ehemals makellose Weiß des schützenden Linnens ist jetzt rot gefleckt. Hastig ziehe ich das Tuch von dem kostbaren Objekt …
    Blut auf einem heiligen Koran ist ein schreckliches Sakrileg. Doch Blut auf dem Safawiden-Koran, den Ismail ungeduldig erwartet, bedeutet einen langsamen und qualvollen Tod.
    Für mich.

DREI
    I ch starre auf das ruinierte Buch und dann auf den toten Mann, während ich noch versuche, die ungeheuerliche Situation einzuschätzen, und meine Gedanken in alle Richtungen jagen. Ich müsste den Mord anzeigen, eine Erklärung vor der Obrigkeit abgeben und meine Unschuld beteuern. Doch wer würde einem Sklaven Glauben schenken? Denn das ist alles, was ich bin, ganz gleich, welchen Status ich innerhalb des Palastes habe. Im Innern seiner Mauern befindet sich ein magisches, geschütztes Reich, doch außerhalb davon bin ich nichts weiter als ein viel zu fein gekleideter Schwarzer, der mit dem Blut eines ehrbaren Kaufmanns besudelt ist. Und ich gaukele mir nicht vor, dass der Sultan sich herabließe, mir mein Schicksal zu ersparen, falls ich festgenommen würde. Viel wahrscheinlicher ist, dass er einen seiner Wutanfälle bekommt, weil ich mich verspätet habe, und mir den Kopf abschlägt, sobald ich ihm wieder unter die Augen trete.
    Ich streife den ruinierten Umhang ab und wickle den bluttriefenden Koran hinein. Dann sehe ich mich um und entdecke Sidi Kabours uralten Burnus an einem Haken neben dem Eingang. Er kleidete sich nicht wie ein wohlhabender Mann, aber das ist charakteristisch für Muselmanen: Man erhebt sich nicht über seine Nachbarn. Ich tappe zu dem Burnus und merke zu spät, dass ich eine Spur von blutigen Fußabdrücken hinterlasse. Der Burnus ist zu kurz, aber ich fühle mich verborgen darin, abgesehen natürlich von den juwelenbesetzten gelben babouches , die mittlerweile eine stumpfe rote Farbe angenommen haben. In diesem Land tragen nur Frauen rotes Schuhwerk, und was immer ich auch sein mag, eine Frau ganz bestimmt nicht. Ich ziehe sie aus und stecke sie in das Bündel mit dem Buch. Lieber barfuß als blutbefleckt, besser, man hält mich für einen Bettler oder Juden als einen Mörder. Ich stülpe die lange, spitze Kapuze über den Turban, ziehe den Kopf ein, um meine Größe zu verbergen, werfe mir das Bündel über die Schulter und trete mit gesenktem Kopf hinaus in den souq .
    »Sidi Kabour!«
    Die Stimme klingt neugierig, fragend. Ich wende mich nicht um.
    An der ersten Torreihe winken mich die Palastwachen durch. Sie frieren und sind zu gelangweilt, um sich über meinen seltsamen Kostümwechsel zu wundern. Ich überquere den für Paraden bestimmten Platz, haste vorbei an den Depots und den vielen Baracken, wo die aus zehntausend Mann bestehende Schwarze Garde des Sultans stationiert ist, und passiere auch die zweite Torreihe, die zu den Pavillons führt.
    Während ich eilig ausschreite, muss ich Haufen von Sand und Pyramiden von Kalkmörtel, Bottichen mit tadelakt , Stapeln von Holz und Kacheln ausweichen. Ich laufe an der koubba vorbei, wo der Sultan die Geschenke aufbewahrt, die man ihm darbietet. Was würden die Spender sagen, wenn sie wüssten, dass die Raritäten, die sie so sorgsam ausgesucht haben, auf einem großen Haufen ähnlicher Objekte landen, wo sie dann verstauben? Ismail ist wie sein kleiner Sohn Zidan: Schon wenige Minuten nachdem er ein Geschenk in Empfang genommen hat, langweilt es ihn.
    Die Wachen hätten mich anhalten müssen: ein barfüßiger, blutbefleckter Mann, der mit weiß Gott was unter dem Arm an ihnen vorbeirennt. Doch sie haben sich zum Schutz vor dem Wetter nach drinnen verzogen. Doch je näher ich den Gebäudeflügeln des Sultans komme, umso wachsamer sind sie notgedrungen. »He! Du da! Zeig uns dein Gesicht und sag uns, was du willst!«
    Es ist Hassan, und hinter ihm tauchen jetzt drei von Ismails zuverlässigsten Wächtern auf, Furcht einflößende
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