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Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Titel: Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)
Autoren: Jane Johnson
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Majestät, Sultan Moulay Ismail, Herrscher von Marokko, Gott schenke ihm Ruhm und ein langes Leben. Er wird länger leben als wir alle, denke ich beim Weitergehen. Mit Sicherheit länger als jeder, der sich seinen Launen nicht entziehen kann. Oder seinem Schwert.
    Auf mein nächstes Ziel freue ich mich am meisten. Der koptische Buchhändler kommt nur selten nach Meknès. Zu diesem feierlichen Anlass ist er außer der Reihe angereist, mit einem Werk, das Ismail für seine berühmte Sammlung heiliger Bücher bei ihm bestellt hat. Nicht dass Ismail ein einziges Wort aus diesen Werken selbst lesen könnte. Wozu auch, wenn er Gelehrte dafür bezahlen kann? Im Übrigen kennt er den gesamten Koran auswendig, eine Fähigkeit, die er gern und häufig demonstriert. Trotzdem liebt er Bücher und behandelt sie mit großer Verehrung: Vor seiner Bibliothek hat er erheblich mehr Respekt als vor dem Leben eines Menschen.
    Nach den üblichen ausgiebigen Begrüßungsformeln und Erkundigungen nach Frau, Kindern, Mutter, Cousins und Ziegen entschuldigt sich der Ägypter, um sich zu einem Tresorraum zu begeben, den er während seiner Aufenthalte in der Stadt mietet. Derweil vertreibe ich mir die Zeit damit, den Duft von altem Leder und Pergament einzusaugen, andächtig die Umschläge zu betasten und die darin eingeprägten Verse zu studieren. Atemlos, erhitzt und mit durchnässter Kapuze kommt der Buchhändler wenig später eilig zurück. Als er das Buch aus dem Leinentuch wickelt, weiß ich, warum er es nicht bei den übrigen Beständen aufbewahrt. Seine Schönheit verschlägt mir den Atem. Der Einband schimmert in zwei verschiedenen Goldtönen. Der Mittelteil des Umschlags ist mit komplizierten Mustern in einem doppelten Rahmen geschmückt. Es erinnert mich an die Teppiche in den Privatgemächern des Sultans, herrliche Stücke aus den weit entfernten Städten Herat und Tabriz.
    »Darf ich?« Mein Gesicht bleibt ausdruckslos, doch meine Hände zittern, als ich danach greife.
    »Aus Schiraz. Angefertigt in der Zeit der frühen Safawiden. Siehst du die durchbrochenen Muster auf dem inneren Umschlag? Eine erlesene Arbeit, aber auch hochempfindlich.«
    »Ist es Seide oder Pergament?« Ich fahre mit den Fingerspitzen über das filigrane Muster, das die Innenseite des Buchdeckels bedeckt und schimmernde Rauten des darunter eingearbeiteten Türkis offenbart.
    Der koptische Buchhändler lächelt nachsichtig. »Seide natürlich.«
    Ich schlage das Buch aufs Geratewohl auf und stoße auf die hundertdreizehnte Sure, Al-Falaq . Während mein Finger der verschnörkelten Kalligrafie folgt, lese ich laut: »Ich suche beim Herrn des Frühlichts Zuflucht vor dem Unheil, das von dem ausgehen mag, was er auf der Welt geschaffen hat, von hereinbrechender Finsternis, von bösen Weibern, die Zauberknoten bespucken, von einem Neider, wenn er neidisch ist …« Es könnte eine Beschreibung meiner Welt sein. Ich blicke auf. »Eine Ausgabe, die ihres Inhalts würdig ist.«
    »In der Tat, ein unbezahlbarer Schatz.«
    »Wenn ich dem Sultan erzähle, dass dieses Buch unbezahlbar ist, wird er die Achseln zucken und erklären, dass sein Angebot ohnehin nicht ausreicht und er dir daher gar nichts zahlen wird.« Ich mache eine Pause. »Aber ich bin befugt, dir ein Angebot zu machen.« Ich nenne eine durchaus bedeutende Summe. Er nennt mir eine, die doppelt so hoch ist, und nach einigem höflichen Hin und Her einigen wir uns auf irgendwo in der Mitte.
    »Komm am Morgen nach der Einweihung zum Palast«, schlage ich vor. »Der Großwesir wird dich bezahlen.«
    »Ich bringe es lieber morgen selbst dem Sultan.«
    »Nein, ich muss es gleich mitnehmen: Moulay Ismail kann es kaum abwarten, das Buch in den Händen zu halten. Außerdem ist morgen Freitag, Tag der Versammlung; da empfängt er keine Besucher.«
    »Bei dem Wetter? Wenn auch nur ein Tropfen Regen darauffällt, ist es ruiniert. Lass es mich am Sabbat zum Palast bringen, dem Anlass entsprechend verpackt.«
    »Ich riskiere Kopf und Kragen, wenn ich ohne das Buch zurückkomme, und so hässlich mein Kopf auch sein mag, irgendwie hänge ich an ihm.«
    Der Mann schenkt mir ein schiefes Lächeln, und ich erinnere mich, dass er trotz seiner viel gepriesenen Frau und seiner Kinder ein oder zwei Knaben haben soll, die er für ihre Gefälligkeiten bezahlt, eine Praxis, die in Ägypten durchaus akzeptabel sein mag, in Ismails Marokko aber besser verborgen bleibt. »Hässlich ist er nicht, und ich möchte keinesfalls, dass du ihn
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