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Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)

Titel: Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)
Autoren: Jane Johnson
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Gott«, wiederhole ich förmlich, obwohl ich nicht begreife, wie ein solcher Mann den Namen des Barmherzigen aussprechen kann, ohne auf der Stelle tot umzufallen.
    »Das freut mich. Ich wäre untröstlich, wenn dir etwas zustieße.« Er senkt den Blick. »Sieht aus, als hättest du dich geschnitten.«
    Mein Herz macht einen Satz. »Das ist nur Schlamm.« Trotzig halte ich seinem Blick stand und sehe, wie das Lächeln aus seinem Gesicht verschwindet und es so unmenschlich zurücklässt wie das eines Reptils. Dann lässt er den Arm fallen, beiläufig, sodass es aussieht wie ein Zufall, aber auch so, dass er meinen Schritt streift. Er beobachtet mich, während ich vergeblich versuche, meinen Ekel zu verbergen.
    »Wie du meinst, Nus-Nus. Wie du meinst.«
    Sein Blick durchbohrt mich noch einen Augenblick, dann wendet er sich ab und drängt sich durch das Gefolge bis zum Sultan vor, wie eine greifbare Ermahnung für mich und alle anderen, dass er sich – und nur sich – für unserem Herrscher ebenbürtig hält.
    Ben Hadous blasser Blick schweift über ihn hinweg, und ich spüre die Abneigung, die von dem Kaid ausgeht, die Feindseligkeit, gepaart mit Verachtung, obgleich sein Gesicht reglos bleibt. Dann dreht er den Kopf, und dieselben grauen Augen bleiben an mir hängen: scharf und aufmerksam. Ich habe das Gefühl, dass er in diesen wenigen Augenblicken alles wahrgenommen hat, was sich zwischen mir und meinem Feind abgespielt hat.
    Die Errichtung der majestätischen Palastanlage in Meknès ist ein Akt unvorstellbarer Hybris, an der Grenze zum Größenwahn. Wir haben von einigen französischen Gefangenen mit guten Verbindungen erfahren, dass ihr König sich an einem ähnlichen Projekt versucht, wenngleich in erheblich kleinerem Rahmen. Im Moment ist es noch nicht viel mehr als eine Jagdhütte inmitten eines von Mücken verseuchten Sumpfes. Als Ismail zum ersten Mal davon hörte, lachte er abschätzig. »Diese Europäer, was immer sie anpacken, entpuppt sich als Torheit, persönliche Überspanntheiten, die zu nichts führen. Doch wenn mein Projekt vollendet ist, wird es eine Stadt von grandiosen Ausmaßen sein: das größte Opfer für Gottes Gnade, das je gebracht wurde. Ich nehme eine Ödnis und verwandele sie zum Ruhme Allahs. Sein heiliges Wort möge auf dem Grund, an den Wänden und in jedem Detail geschrieben stehen: Sein immerwährender, unveränderlicher Plan hat die physische Welt hervorgebracht.«
    Heute gibt sich die Ödnis störrisch: Wir stoßen auf ein Hindernis nach dem anderen, die ich unterwegs alle sorgfältig in meiner Chronik festhalten muss. Mein zerstreuter Verstand macht mich zu einem schlechten Schreiber, und der Regen tut ein Übriges, um das Problem zu verschärfen, indem er die Tinte verwischt und an manchen Stellen die Worte sogar komplett löscht. Sobald ich entlassen werde, kehre ich eilig zurück in meine Kammer. Wenn ich nicht auf der Stelle die genauen Instruktionen niederschreibe, so wie Ismail sie mir diktiert hat, und dem Arbeitsleiter übergebe, wird sein Zorn mich unfehlbar treffen.
    Ich setze mich mit verschränkten Beinen auf den Diwan, öffne die Schreibschatulle, tauche mein Schilfrohr in die Tinte und schreibe sorgfältig:
    Erstens muss das Bab al-Raïs mit eisernen Stiften und horizontalen Bolzen verstärkt werden. Ein neuer Handwerksmeister wird benötigt, um ein Sonnenrad und die Halbmonde hinzuzufügen. Da der französische König sich zum Sonnenkönig erklärt, wird Ismail Herrscher über Tag und Nacht sein. Der neue Entwurf muss bis zur Einweihung fertig gestellt sein.
    Als Nächstes soll das Wachhäuschen abgerissen und auf der östlichen Seite neu errichtet werden.
    Drittens soll die äußere Mauer zur mellah hin um fünfzig Schritte nach hinten versetzt werden. Die Häuser, die sich innerhalb dieses Bereichs befinden, sollen niedergerissen werden, um einen angemessenen Abstand zwischen unserer Anlage und den Einwohnern der Stadt zu schaffen. Die Bewohner werden per Proklamation informiert und aufgefordert, umgehend entsprechende Vorkehrungen zu treffen. Es werden neue Unterkünfte für sie bereitgestellt, aber die Trümmer müssen sie selbst wegschaffen.
    Viertens soll das holzgeschnitzte Fries im Koubbet al-Khiyatin erneuert werden. Dieses Mal ist es wichtig, einen Handwerksmeister zu finden, der lesen und schreiben kann.
    Zu seinem Pech hatte der ursprüngliche Holzschnitzer, so der Wesir lächelnd, die eleganten kufischen Schriftzeichen, die in zahlloser Wiederholung
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