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Die silberne Maske

Titel: Die silberne Maske
Autoren: Susan Schwartz , Stephanie Seidel
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einen blassen, unscheinbaren Elfen am Arm gepackt in den Raum führte. Niemand sonst war durch die Tür getreten, keine Waffe hatte aufgeblitzt.
    Der Hohepriester wedelte mit der Hand. »Stell ihn ab und geh!«
    »Ist gut, Herr. Kann ich sonst noch etwas tun?«
    »Ja. Sieh zu, dass ich nicht gestört werde. Und, Ruan ...«, Maletorrex drehte sich um, zeigte auf seinen Besucher, »... niemand darf erfahren, dass er bei mir ist. Hast du verstanden? Niemand! «
    »Ich sorge dafür«, versprach der Elf ruhig, verneigte sich und ging.
    Ruan war Anführer der Faitachen, einer Kriegertruppe in Maletorrex’ Diensten. Ursprünglich von den Gründern der Stadt als unbewaffnete Schutzeinheit ins Leben gerufen, sollte sie der Bevölkerung Hilfe leisten bei Erdbeben, Stürmen oder dem alle paar Jahre auftretenden Hochwasser des Flusses, der sich zwischen Mateysköll und dem neben ihm aufragenden Drachenzahnfelsen hindurchzwängte.
    Doch die heutigen Faitachen waren ein anderes Kaliber, nicht mehr vergleichbar mit ihren Vorgängern aus alter Zeit. Zwar wurden auch Ruan und seine Männer im Katastrophenfall tätig, jedoch weniger zum Wohl der Bevölkerung, sondern vielmehr um Fluchtversuche zu vereiteln und aufkeimende Unruhen auszubremsen. Torwächter und Palastwachen rekrutierten sich aus ihren Reihen genauso wie die Führer der bestens getarnten, allgegenwärtigen Spitzel im Volk. Denn Faitache sein bedeutete: Maletorrex zu geben, was Maletorrex wollte, und dem selbst ernannten Herrscher der Stadt treu zu folgen bis in den Tod. Und sie alle waren bis ins Mark von der Rechtschaffenheit ihres Handelns überzeugt.

    Maletorrex’ Besucher wirkte nervös. Immer wieder suchte er den Blick des Hohen Priesters, als fände er darin Halt in einer schwierigen und keineswegs ungefährlichen Situation. Er rührte sich nicht vom Fleck, verharrte genau dort, wo Ruan ihn abgestellt hatte. Seltsam verloren stand er inmitten der prunkvollen Raumausstattung mit ihren Teppichen, Kandelabern, Schalen voller Zuckerwerk und der übergroßen Ottomane, die dem Priester zu allem Möglichen diente, nur nicht zum Verweilen im Gebet.
    Maletorrex beäugte den Elfen abschätzend. Mittleres Alter, nicht attraktiv und nicht hässlich. Größe, Gewicht und Kleidung entsprachen dem Durchschnitt. Keine sichtbaren Narben, keine besonderen Kennzeichen. Der Mann war so normal, dass er zwischen anderen unsichtbar wurde, kaum in jemandes Erinnerung blieb und man sich schwertat, ihn zu beschreiben. Es machte ihn perfekt für die Aufgabe, die Maletorrex ihm zugedacht hatte.
    Zunächst jedoch wandte er dem Elfen den Rücken zu und trat erneut ans Fenster. Er sollte ruhig eine Weile schwitzen und sich den Kopf zerbrechen, was er getan haben mochte und welche Bestrafung ihn erwartete. Denn das war der übliche Grund, weshalb man in die Kartause zitiert wurde. Der einzige Grund.
    Ich muss ihn gut vorbereiten! Sobald er die Stadt verlassen hat, kann ich ihn nicht mehr kontrollieren. Maletorrex schnaubte verärgert. Unfasslich! Bis gestern hätte nicht einmal ein Traum gewagt, mich mit der Idee zu belästigen, ich könnte in Schwierigkeiten geraten. Und jetzt?
    Jetzt war er in Schwierigkeiten.
    Am Vortag war das Undenkbare geschehen: Prinz Laycham war geflohen - und er hatte die Gesandte mitgenommen! Nicht die echte, versteht sich. Das war Shire gewesen, Laychams verstorbene Mutter. Maletorrex ließ sie stets aufs Neue durch eine willenlose Marionette mit beschränkter Lebensdauer ersetzen, was die Elfen aber nicht wussten, denn sie präsentierte sich ihnen nur maskiert.
    So hatten sie auch den aktuellen Platzhalter, eine Reinblütige namens Zoe, als ihre wahre Gesandte angesehen. Die Frau der Ersten Stunde, Trägerin des Blauen Mals. Der Fixpunkt, um den sich der Mikrokosmos Dar Anuin drehte. Der alles in geregelten Bahnen hielt und dafür Sorge trug, dass das Volk an jedem neuen Tag ergeben zur Knechtschaft erwachte.
    Nun war sie fort, und das hatte bereits erste Auswirkungen.
    Etwas lag in der Luft.
    Man konnte es spüren. Dieses leise Vibrieren, das dem Wind vorausging, der zum unbändigen, alles niederreißenden Sturm werden konnte. Einem Sturm, der sich durch die gesamte Historie der Elfenwelt zog, mächtige Despoten vom Thron fegte wie welke Blätter und einen gefürchteten Namen trug.
    Aufstand.
    Maletorrex wandte sich abrupt um. »Du weißt, weshalb du hier bist?«
    »Nein.«
    »Nein ... was?«, schnappte der fettleibige Priester, während er auf den Elfen
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