Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Sherbrooke Braut

Titel: Die Sherbrooke Braut
Autoren: Catherine Coulter
Vom Netzwerk:
erblickte er von diesem günstigen Punkt aus Boulogne und die nordöstlich gelegene rauhe Küste bis nach Calais. Er hielt die Hand vor die Augen und starrte in diese graue Welt. Die Wolken wälzten und überholten sich, teilten sich aber nicht, sondern nahmen eher an Volumen zu, ihre Massen schienen sich fester aneinanderzudrücken. Als er hinter sich ein Pferd herangaloppieren hörte, das schließlich zum Stehen kam, drehte er sich nicht einmal um.
    »Dachte ich mir doch, daß du hier bist, Douglas. Das ist dein Lieblingsplatz zum Nachdenken.«
    Er wandte sich mit einem Begrüßungslächeln seiner jungen Schwester zu, die rittlings auf ihrer Stute Fanny saß. »Ich sollte lieber nicht so abschätzbar sein. Weder beim Frühstück noch beim Mittagessen habe ich dich gesehen, Sinjun. Hat Mutter dich wegen Ungehorsamkeit bestraft?«
    »I wo, ich hatte die Zeit vollkommen vergessen. Ich studierte gerade mein...« Sie brach ab, rutschte behende vom Sattel und ging mit großen Schritten auf ihren Bruder zu. Ein hochaufge-schossenes, überschlankes Mädchen, mit langen Beinen und wildem hellem Haar, das in dichten Locken ihr. Gesicht umrahmte und wohl einstmals von einem nun gewiß schon lange verlorengegangenen Haarband im Nacken zusammengehalten worden war. Ihre Augen, von lebhaftem, klarem Himmelblau, blickten heiter und klug. Alle seine Geschwister hatten diese blauen Augen und das dichte helle Haar der Sherbrookes, doch Sinjuns Haare waren noch um einiges heller und schimmerten wie das Sonnenlicht. Alle, außer ihm.
    Douglas hatte Augen so schwarz wie die Sünde, wie ihm sein Kindermädchen vor vielen Jahren lachend erzählt hatte. In der Tat glich er einem heidnischen Kelten. Mit der dunkelgetönten Haut und seinen pechschwarzen Haaren erinnerte er an den Ritter mit dem Pferdefuß persönlich.
    Noch sehr jung hatte er ein Gespräch belauscht, in dem sein Vater seine Mutter bezichtigte, sie hätte ihm Hörner aufgesetzt, denn sein Sohn ähnelte keinem der Sherbrookes, weder laut ihrer in Schrift noch in ihren Porträts niedergelegten Geschichte. Douglas hatte es noch im Ohr, wie sich seine Mutter immer wieder für etwas entschuldigt hatte, was sie für einen persönlichen Fehler hielt, nämlich die Erzeugung dieses so aus der Reihe fallenden Sherbrooke-Erben. Ry wurde nicht müde, Douglas immer wieder zu erklären, daß gerade aufgrund seines unsherbrookehaften strengen und furchteinflößenden Aussehens ihm jeder sofort aufs Wort gehorchte.
    Doch jetzt, als Douglas seine Schwester ansah, war sein Ausdruck alles andere als streng. Sie trug Reithosen wie er, ein loses weißes Hemd und eine hellbraune Lederweste. Ihre Mutter, das war ihm klar, würde wie ein Klageweib aufheulen, erblickte sie ihre Tochter in dieser Kleidung. Aber eigentlich regte sich ihre Mutter immer über irgend etwas auf.
    »Was hast du denn gerade studiert?«
    »Nicht wichtig. Du machst dir wieder Sorgen, nicht wahr?«
    »Einer muß es ja, zumal sich unsere Regierung offensichtlich keine Gedanken über unseren Schutz machen will. Napoleon hat die bestausgebildeten und erfahrensten Soldaten ganz Europas unter sich, und sie sind fest entschlossen, uns zu besiegen.«
    »Stimmt es, daß Fox zurückkehren und Addington abgesetzt werden soll?«
    »Er soll krank sein, und die Zeit ist noch nicht reif, Addington seines Amtes zu entheben. Fox ist ebenso irregeführt und liberal eingestellt wie Addington, aber wenigstens besitzt er Führungsqualität und ist nicht wankelmütig. Ich denke, du weißt ebenso wie ich darüber Bescheid.« Er kannte die geistige Frühreife seiner Schwester sehr wohl - besser, ihre Belesenheit, ihr Interesse an Fragen und Themen, die eigentlich weit über ihre Jahre hinausgingen, Dinge, bei denen die meisten Damen und Herren aus Gleichgültigkeit vollkommen verständnislos dreingeschaut hätten. Sie schien ihn besser zu verstehen als seine beiden Brüder, seine Mutter und die ganzen unzähligen Sherbrooke-Verwandten. Er hatte sie sehr ins Herz geschlossen.
    »Nein, du irrst«, antwortete sie. »Aber als du letzte Woche nach London gefahren bist, um mit all diesen Herren zu reden, hast du bestimmt viel erfahren. Du hast mir noch gar nichts über die Stimmung im Kriegsministerium erzählt. Und was ich noch sagen wollte, Douglas, du hast schließlich alle Männer auf unseren Farmen und auch in einigen der Dörfer bewaffnet. Du hast immer wieder mit ihnen exerziert.« Unmittelbar nach diesen sehr erwachsen klingenden anerkennenden
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher