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Die Shakespeare-Morde

Die Shakespeare-Morde

Titel: Die Shakespeare-Morde
Autoren: Jennifer Lee Carrell
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Lächeln zum Himmel empor.
    Tief unten verschwand er mit
     einem lautlosen Klatschen. Einmal spülte ihn der Fluss an die Oberfläche.
    Dann war er fort.
     
    ZWISCHENSPIEL
      Juli 1626
    Er hatte damit gerechnet,
     durch Feuer und Schwert den Tod zu finden, zumindest durch Feuer und
     Fallbeil, vor einer jubelnden Menge. Nicht allein in der Dunkelheit.
    Der Gestank des Todes war so
     stechend, dass er bei jedem Atemzug würgen musste, und doch war es
     die Stille, die ihm am meisten zu schaffen machte.
    Anfangs hatte der Pater die
     Stille begrüßt. Der Sargento, ein tapferer Mann, lag zwei Tage
     lang im Delirium, bevor er starb. Sein Stöhnen und Heulen war fast so
     schwer zu ertragen gewesen wie das Scharren zuvor, als er an den Felsen
     kratzte, die den Ausgang versperrten. Er hatte an den Steinen geschabt,
     bis ihm die Finger in blutigen Fetzen von den Knochen hingen, doch er
     hatte sich nicht davon abbringen lassen, bis seine Kräfte in der
     Dunkelheit versickerten. Und der Sargento war ein starker Mann gewesen.
    Vielleicht waren das Scharren
     und die folgende Stille seine Buße, dachte der Pater, die Buße
     dafür, dass er gelogen hatte.
    Dabei hatte er es nur gut
     gemeint. Kurz nach ihrem Aufbruch waren sie an einen Fluss gekommen, der
     nach drei Tagen Regen Hochwasser führte. Hätten sie drei weitere
     Tage gewartet, wäre das Wasser gesunken - in diesem seltsamen wilden
     Land versickerten die Fluten so schnell, wie sie stiegen. Doch der
     Capitano war kein geduldiger Mensch. Er hatte sie angetrieben, noch am
     gleichen Nachmittag überzusetzen. Sie verloren drei Maultiere mitsamt
     ihrer Ladung. Als größtes Unglück betrachtete der Capitano
     den Verlust seines persönlichen Weinvorrats und ließ den
     Maultiertreiber auspeitschen. Die Männer nahmen es hin, wie sie die
     grausame Dummheit des Capitanos stets hinnahmen, mit finsterer Geduld.
     Doch als sie erfuhren, dass auch die Bibel des Paters verloren war, war
     Panik in ihren Augen aufgeflammt.
    Die meisten von ihnen waren
     ungebildete Bauern, und da ihre Gottesfurcht mehr auf Aberglauben als auf
     aufgeklärter Frömmigkeit gründete, hatte er erst gar nicht
     versucht, ihnen die Angst mit Vernunft auszureden. Stattdessen hatte er
     den ›Don Quixote‹ aus der Satteltasche gezogen, einen
     schweren, edel gebundenen Band, und behauptet, dies sei seine persönliche
     Bibel und er wolle sie von nun an mit der Truppe teilen.    
    Die Panik hatte sich gelegt.
     Fortan »las« er das Evangelium, indem er zum Beispiel das
     Kapitel mit dem Kampf gegen die Windmühlen aufschlug und aus dem Kopf
     die Parabel des verlorenen Sohns erzählte. Es hatte Zeiten gegeben,
     da hätte er über eine solche Ironie herzlich gelacht. Aber das
     schien längst in ein anderes Leben zu gehören.    
    Natürlich sahen die Männer
     auch das Bündel Papiere, das am Ende seines Buches steckte. Sie
     hielten es für eine Predigt, sein persönliches Gebet, und zogen
     ihn auf: Sein Glanzstück. Sein Meisterwerk. Wie recht sie damit
     hatten. Doch was für eine Art Gebet?
     
    Nun werde ich
    Zur Gruft meiner Ehre, ein
     dunkles Haus,
    In dem allein der Tod
     gedeiht.
     
    Der Sargento hatte ihn ein
     oder zwei Mal scharf angesehen, doch wenn er einen Verdacht hatte, behielt
     er ihn für sich. Anders als der Capitano war der Sargento ein guter
     Anführer.
    Sie waren dem Flusslauf aus
     den Bergen auf eine weite braune Ebene gefolgt, die für die Kastilier
     unter ihnen der Heimat täuschend ähnlich sah. Wenige Tage später
     waren ein paar Männer, die am Ende der Kolonne herumstreiften, auf
     zwei Indianerinnen mit ihren Kindern gestoßen. Bis der Pater
     begriff, was in dem johlenden Getümmel vor sich ging, waren die
     Kinder tot und die Frauen noch schlimmer dran. Es gehörte zum
     Soldatentum; am Anfang hatte er weggesehen. Doch fünf oder sechs Männer
     hatten sich so brutal und so ausdauernd an den Frauen zu schaffen gemacht,
     dass der Pater auf seinem Maultier nach vorn zum Capitano geritten war, um
     sich zu beschweren. Der Capitano galoppierte zum Ende der Kolonne zurück,
     stieg schwungvoll vom Pferd und bahnte sich mit der flachen Seite des
     Schwerts den Weg durch die Männer. Einen Moment lang betrachtete er
     schweigend die Szene, die sich bot. Eins der Mädchen lag bereits im
     Sterben. Dann nahm er die andere, vor aller Augen. Am Ende erschlug er sie
     mit seinem Schwert.
    Er war wieder aufgestiegen,
     hatte dem Pferd die Sporen
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