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Die seltsame Welt des Mr. Jones

Die seltsame Welt des Mr. Jones

Titel: Die seltsame Welt des Mr. Jones
Autoren: Philip K. Dick
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aus.«
     Cussick wandte sich an Pearson und versuchte eine Erklärung zu geben.
     »Kein richtiger Wahrsager. So etwas hat es auch gegeben.« Er hörte seine heisere, stockende Stimme und sprach hastig weiter: »Ich halte den Mann für einen Mutanten, einen Menschen mit hellseherischer Begabung. Er behauptet, die zukünftige Geschichte zu kennen, und erklärte mir, ein gewisser Saunders werde der nächste Ratsvo rsitzende sein.«
    »Nie von ihm gehört«, meinte Pearson unbeeindruckt.
     »Der Mann sagte mir, daß sich die ›Drifter‹ als lebende Wesen, nicht als Raumschiffe erweisen werden und daß das in höchsten Kreisen schon bekannt sei.«
     Ein seltsamer Ausdruck huschte über Pearsons starres Gesicht. Kaminski hörte plötzlich zu schreiben auf.
    »So?« sagte Pearson leise.
     »Er teilte mir mit, daß die ›Drifter‹ im nächsten Jahr die Hauptstreitfrage sein werden, das wichtigste Problem überhaupt.«
     Weder Pearson noch Kaminski sagten ein Wort. Das war auch nicht nötig; Cussick konnte es an ihren Gesichtern ablesen. Er hatte sein Ziel erreicht. Er hatte alles gesagt, was nötig war.
    Jones war im Begriff, bekannt zu werden.

    IV

     Als Sofortmaßnahme wurde veranlaßt, daß Jones unter Überwachung gestellt wurde. Diese Interimszeit dauerte sieben Monate. Im November 1995 setzte sich der sanfte, unkomplizierte Kandidat der extremistischen Nationalistenpartei durch und gewann die Wahl zum Rat. Binnen vierundzwanzig Stunden, nachdem Ernest Saunders auf sein Amt vereidigt worden war, nahm man Jones unauffällig fest.
     In diesem halben Jahr hatte Cussick fast seine ganze jugendliche Rundlichkeit verloren. Sein Gesicht wirkte markanter und älter. Er hatte Erfahrungen als Geheimagent gesammelt.
     Im Juni 1995 war Cussick in die dänische Region versetzt worden. Dort hatte er ein hübsches, dralles, sehr unabhängiges dänisches Mädchen kennengelernt, das in der künstlerischen Abteilung eines Bureg-Informationszentrums arbeitete. Nina Longstren war die Tochter eines einflußreichen Architekten; ihre Familie war reich und von gesellschaftlichem Rang. Cussick empfand selbst dann noch Scheu vor ihr, als sie offiziell verheiratet waren.
     Seine Order von den Polizeibüros in Baltimore traf ein, als er und Nina ihre Wohnung renovierten. Er brauchte einige Zeit, bis er das Thema zur Sprache bringen konnte; sie waren mitten im Streichen.
     »Liebling«, sagte er schließlich, »wir müssen hier schnellstens weg.«
     Nina antwortete zunächst nicht. Sie studierte eindringlich Farbskalen, die Ellbogen auf den Wohnzimmertisch gestützt, die Hände unter dem Kinn verschränkt.
    »Was?« murmelte sie zerstreut. Im Wohnzimmer herrschte schöpferisches Chaos; überall standen oder lagen Farbeimer, Rollen, Sprühgeräte herum. Die Möbel waren mit farbbespritzten Plastikhäuten abgedeckt. In der Küche und in den Schlafzimmern standen verpackte Geräte. Kleidung in Kisten, Möbel, Hochzeitsgeschenke. »Entschuldige – ich habe nicht zugehört.«
     Cussick trat zu ihr und zog ihr die Farbkarten unter den Ellbogen weg.
     »Befehl von ganz oben. Ich muß nach Baltimore zurückfliegen – man bereitet die Anklage gegen diesen Jones vor. Ich soll als Zeuge auftreten.«
    »Oh«, sagte Nina leise. »Ich verstehe.«
     »Länger als zwei Tage kann das nicht dauern. Du kannst ja hierbleiben, wenn du willst.« Er war nicht gerade erpicht darauf, daß sie hierblieb. Sie waren erst eine Woche verheiratet. Theoretisch befand er sich noch in den Flitterwochen. »Sie zahlen die Reisekosten für uns beide – Pearson erwähnte es.«
     »Die Wahl haben wir ja wohl kaum, nicht?« sagte Nina unglücklich. Sie stand auf und sammelte die Farbkarten ein. »Die Farbeimer müssen wir aber alle zudecken.«
     Bedrückt goß sie Terpentin auf eine Anzahl von Farbpinseln in einer Dose. Ein Fleck Meerschaumgrün zeigte sich auf ihrer linken Wange, den sie vermutlich hingebracht hatte, als sie ihr langes, blondes Haar zurückgestrichen hatte. Cussick nahm einen Lappen, befeuchtete ihn mit Terpentin und beseitigte die Farbspur.
     »Danke«, sagte Nina traurig, als er fertig war. »Wann müssen wir fahren? Jetzt gleich?«
    Er schaute auf die Uhr.
     »Am Abend müssen wir in Baltimore sein; er ist festgenommen. Das heißt, daß wir das Schiff um halb neun Uhr ab Kopenhagen nehmen müssen.«
     »Dann bade ich gleich«, sagte Nina gehorsam. »Und ziehe mich um. Du solltest es auch tun.« Sie sah ihn kritisch an und fuhr mit der
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