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Die seltsame Welt des Mr. Jones

Die seltsame Welt des Mr. Jones

Titel: Die seltsame Welt des Mr. Jones
Autoren: Philip K. Dick
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Hand über sein Kinn. »Und dich rasieren.«
    Er nickte.
    »Alles, was du willst.«
    »Ziehst du deinen hellgrauen Anzug an?«
     »Ich muß Braun tragen. Das ist dienstlich, vergiß das nicht. In den nächsten zwölf Stunden bin ich wieder im Dienst.«
    »Heißt das, daß wir ernst und finster sein müssen?«
    Er lachte.
    »Nein, natürlich nicht. Aber die Geschichte macht mir Sorgen.«
    Nina rümpfte die Nase.
     »Dann streng dich nur an. Nur von mir darfst du das nicht erwarten. Ich habe an andere Dinge zu denken – ist dir klar, daß wir vor nächster Woche mit der Wohnung nicht fertig werden?«
    »Wir könnten ja ein paar Arbeiter beauftragen.«
     »O nein«, sagte Nina mit Nachdruck. Sie verschwand im Badezimmer, drehte das heiße Wasser in der Wanne auf und kam zurück. Sie streifte die Schuhe ab und begann sich auszuziehen. »Wir machen das selbst. Hier kommt mir kein Landstreicher herein – das ist kein Job, sondern – « Sie suchte nach Worten, während sie den Pullover über den Kopf zog. »Das ist unser gemeinsames Leben.«
     »Na ja, ich war auch ein Landstreicher, bis ich zum Sicherheitsdienst kam«, meinte Cussick trocken. »Aber das ist deine Entscheidung. Mir macht das Streichen Spaß, also ist es mir egal, ob so oder so.«
     »Es soll dir aber nicht egal sein«, sagte Nina kritisch. »Verflixt, ich bringe schon noch einen Funken künstlerischer Empfindsamkeit in deine Bürgerseele.«
     »Sag nicht, daß es mir nicht egal sein darf«, warnte Cussick. »Das ist ein Verbrechen gegen den Relativismus. Du kannst dich damit befassen, soviel du willst, aber schreib mir nicht vor, daß ich auch dafür sein muß.«
    Nina lief lachend zu ihm und schlang die Arme um seinen Hals.
    »Du alter Wichtigtuer. Alles nimmst du so ernst – was fange ich bloß mit dir an?«
     »Keine Ahnung«, sagte Cussick stirnrunzelnd. »Was fangen wir alle mit uns an?«
     »Die Sache beschäftigt dich wirklich«, meinte Nina und sah ihn mit ihren ernsten blauen Augen prüfend an.
     Cussick machte sich los und begann die in der Wohnung herumliegenden Zeitungsstapel einzusammeln. Nina stand nachdenklich in ihrer farbverschmierten Hose und dem neuen Nylon-BH da; etwas bedrückt beobachtete sie ihn.
    »Kannst du mir etwas darüber erzählen?« fragte sie schließlich.
     »Gewiß«, sagte Cussick. Er blätterte die Zeitungen durch, zog eine heraus, faltete sie zusammen und gab sie ihr. »Du kannst das beim Baden lesen.«
    Der Artikel war lang und fettgedruckt.
     ›Prediger zieht Massen an. Weitere Beweise für weltweite religiöse Wiedererweckung.‹
     ›Bürger strömen zusammen, um Prediger über kommende Kalamitäten sprechen zu hören. Einsickern fremder Lebensfo rmen in allen Einzelheiten vorausgesagte.‹
     Darunter befand sich ein Bild von Jones, aber er saß nicht mehr in einer Jahrmarktsbude. Jetzt war er ein ordinierter Geistlicher, der einen abgetragenen Gehrock und schwarze Schuhe trug, mehr oder weniger rasiert war; er war ein Wanderprediger, der durch das Land zog und die Provinzbevölkerung belehrte. Nina betrachtete die Aufnahme kurz, las ein paar Worte, sah wieder das Bild an, drehte sich plötzlich wortlos um und rannte ins Badezimmer, um das Wasser abzudrehen. Die Zeitung brachte sie nicht zurück; als sie zehn Minuten später wieder auftauchte, war die Zeitung verschwunden.
     »Was hast du damit gemacht?« fragte Cussick neugierig. Er hatte angefangen, seinen Koffer zu packen.
     »Mit der Zeitung?« Nina sucht in der Kommode einen frischen Slip. »Ich lese sie später. Jetzt müssen wir packen.«
    »Es ist dir völlig egal«, sagte Cussick gereizt.
    »Was?«
    »Meine Arbeit. Das ganze System.«
     »Liebling, das geht mich nichts an.« Sarkastisch fuhr sie fort: »Immerhin ist das doch alles geheim – ich möchte meine Nase nicht hineinstecken.«
     »Jetzt hör mal zu«, sagte er ruhig. Er trat auf sie zu und hob ihr Kinn, bis sie ihn ansehen mußte. »Süßes«, sagte er, »du weißt, was ich gemacht habe, bevor du mich geheiratet hast. Es ist nicht richtig, nachträglich seine Mißbilligung zu zeigen.«
     Einen Augenblick lang starrten sie einander trotzig an. Dann griff Nina blitzschnell nach einem Parfümzerstäuber auf der Kommode und spritzte ihm ins Gesicht.
     »Geh dich rasieren und waschen«, befahl sie. »Und zieh um Himmels willen ein frisches Hemd an – eine ganze Schublade ist vollgestopft damit. Du sollst doch beim Flug gut aussehen. Ich mag mich nicht für dich
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