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Die seltsame Welt des Mr. Jones

Die seltsame Welt des Mr. Jones

Titel: Die seltsame Welt des Mr. Jones
Autoren: Philip K. Dick
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Baltimore zurück. Cussick war erregt. Nervös zündete er eine Zigarette an, drückte sie aus, griff nach der nächsten. Vielleicht hatte er etwas gefunden, vielleicht auch nicht. Das Gebäude des Geheimdienstes in Baltimore stand wie ein riesiger Betonwürfel auf der Erdoberfläche, ungefähr eine Meile außerhalb der Stadt. Rings um den Würfel konnte man metallene Punkte ausnehmen; in gleicher Reihe stehende Bunker, die Mündungen komplizierter unterirdischer Tunnels. Am blauen Frühlingshimmel schwebten träge ein paar automatische Abfang-Luftminen. Das Polizeifahrzeug hielt am ersten Kontrollpunkt; Posten mit Maschinenpistolen, Handgranaten am Gürtel, mit Stahlhelmen, die in der Sonne blinkten, schlenderten heran.
     Eine ganz gewöhnliche Abfertigung. Der Wagen wurde durchgelassen, fuhr eine Rampe entlang und erreichte den Zugangsbezirk. Hier wurde Cussick abgesetzt. Der Wagen rollte in die Garage, und er stand allein vor der Auframpe, innerlich immer noch sehr bewegt. Wie sollte er bewerten, was er gefunden hatte?
     Bevor er Sicherheitsdirektor Pearson Bericht erstattete, stieg er in einer der Pädagogik-Etagen ab. Augenblicke später stand er im Büro seines Senior-Politik-Ausbilders.
     Max Kaminski prüfte schriftliche Arbeiten, die sich auf seinem Schreibtisch stapelten. Es dauerte einige Zeit, bis er Cussick bemerkte.
     »Nach Haus kommt der Seemann«, sagte er, während er weiterarbeitete. »Nach Haus von der See. Und der Jäger auch, um genau zu sein. Was haben Sie in den Bergen erbeutet an diesem schönen Aprilnachmittag?«
     »Ich wollte Sie etwas fragen«, sagte Cussick verlegen. »Bevor ich meinen Bericht erstatte.« Der beleibte Mann mit dem runden Gesicht, dem buschigen Schnurrbart und der gefurchten Stirn hatte ihn ausgebildet; theoretisch unterstand Cussick Kaminski nicht mehr, aber er holte sich nach wie vor Rat bei ihm. »Ich kenne das Gesetz – aber von der persönlichen Bewertung hängt viel ab. Eine Vorschrift scheint verletzt zu sein, aber ich weiß nicht, welche.«
    »Na ja«, sagte Kaminski, legte den Füllhalter weg, nahm die Brille ab und faltete die fleischigen Hände, »wie Sie wissen, gibt es für Verstöße drei Haupteinteilungen. Das Ganze beruht auf Hoffs ›Leitfaden des Relativismus‹, das brauche ich Ihnen nicht zu sagen.« Er tippte auf das vertraute, blaugebundene Buch auf dem Tisch. »Lesen Sie Ihr Exemplar noch einmal durch.«
     »Ich kenne es auswendig«, sagte Cussick ungeduldig, »bin mir aber trotzdem ungewiß. Die fragliche Person bekundet kein Interesse an Feststellung von Tatsachen, sondern von Dingen, die man nicht wissen kann.«
    »Wie?«
     »Es geht um die Zukunft. Der Mann behauptet, er wisse, was im nächsten Jahr geschehen wird.«
    »Voraussage?«
     »Prophezeiung«, verbesserte Cussick. »Wenn ich den Unterschied richtig verstehe. Und ich behaupte, daß eine Prophezeiung ein Widerspruch in sich selbst ist. Niemand kann ein absolutes Wissen über die Zukunft besitzen. Im Wort selbst steckt schon drinnen, daß sich die Zukunft noch nicht ereignet hat. Und wenn das Wissen vorhanden wäre, würde es die Zukunft verändern – und damit das Wissen ungültig machen.«
    »Was war das, ein Wahrsager auf einem Jahrmarkt?«
    Cussick wurde rot. »Ja.«
    Der Schnurrbart des älteren Mannes zitterte erregt.
     »Und Sie wollen das melden? Sie wollen ein Einschreiten gegen einen Schausteller vorschlagen, der mit Handlesen bei einem Reisezirkus ein paar Dollar zu verdienen versucht? Übereifrige Burschen wie Sie… Begreifen Sie denn nicht, wie ernst das ist? Wissen Sie nicht, was eine Verurteilung bedeutet? Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, Unterbringung in einem Zwangsarbeitslager…« Er schüttelte den Kopf. »Damit Sie bei Ihren Vorgesetzten einen guten Eindruck machen, soll es einen harmlosen Wahrsager erwischen.«
    Mit beherrschter Würde sagte Cussick: »Ich bin aber der Meinung, daß ein Verstoß gegen das Gesetz vorliegt.«
      »Jeder verstößt gegen das Gesetz. Wenn ich Ihnen sagen, daß Oliven scheußlich schmecken, verstoße ich theoretisch gegen das Gesetz. Wenn jemand behauptet, der Hund sei der beste Freund des Menschen, so ist das ungesetzlich. Dergleichen geschieht dauernd – aber das interessiert uns nicht!«
    Pearson trat ins Zimmer.
    »Was ist da los?« fragte er gereizt.
     »Unser junger Freund hier hat die Beute mitgebracht«, erwiderte Kaminski säuerlich. »Auf dem Jahrmarkt entdeckte er – grub er einen Wahrsager
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