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Die Seilschaft

Die Seilschaft

Titel: Die Seilschaft
Autoren: Roman Rausch
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kreativen Mörder zu tun.»
    Sie nahm einen Kugelschreiber zur Hand, führte ihn unter die Wasseroberfläche und zog ihn langsam wieder heraus. Mit ihm kam ein völlig skelettierter Schädel zum Vorschein.
    «Der Rest schaut genauso aus», sagte Pia. «Fein säuberlich von allem Gewebe befreit, genau so, wie wir es in der Gerichtsmedizin machen, wenn wir Exponate erstellen.»
    Kilian konnte ihr nicht folgen. «Warte, nicht so schnell. Was macht ihr in der Gerichtsmedizin mit Leichenteilen?»
    «Wir legen sie in handelsübliches Waschpulver, geben Wasser hinzu und sorgen dafür, dass die Wassertemperatur konstant bei etwa sechzig Grad bleibt. Nach gut einer Woche ist der Knochen komplett und vor allem sauber von dem ihn umgebenden Gewebe befreit.»
    «Das ist doch nicht dein Ernst?»
    «Nichts löst Fleisch und Sehnen besser vom Knochen als Waschpulver. Übrig bleibt ein Seife-Gewebe-Gemisch, das du getrost die Toilette hinunterspülen kannst. Was glaubst du denn, wieso die Hersteller von Waschmitteln damit werben, dass sie selbst Blut aus den Klamotten herausbekommen? Es sind die zugesetzten Enzyme, die das Gewebe auflösen. Nebenbei bemerkt, es sind die gleichen, die sich in deinem Verdauungssystem befinden. Ansonsten könntest du keine Nahrung verwerten und würdest mit vollem Bauch verhungern.»
    «Und wieso muss das gerade bei sechzig Grad geschehen?», fragte Heinlein.
    Pia schaute ihn ungläubig an. «Bei dir zu Hause ist wohl Claudia für die Wäsche zuständig?»
    Heinlein nickte. «Ja, wieso nicht?»
    «Wenn ihr Kerle euch nur einmal an der Hausarbeit beteiligen würdet, dann wüsstet ihr, dass bestimmte chemische Prozesse nur bei einer gewissen Temperatur ablaufen. So zum Beispiel beim Wäschewaschen. Das Wasser muss warm bis heiß sein, damit die Enzyme ihre Arbeit leisten können. Bei sechzig Grad fühlen sie sich pudelwohl. Deine Claudia weiß das.»
    «Dann sollte ich sie vielleicht in die Ermittlung mit einbeziehen?», giftete Heinlein.
    «Könnte nicht schaden, Einstein.»
    «Beruhigt euch wieder», ging Kilian dazwischen. Was war nur mit den beiden los? Bei Pia hatte er ja ein Einsehen, ihre Nerven schlugen in der Schwangerschaft Purzelbäume, aber was war mit Heinlein geschehen? Er wirkte gereizt.
    «Wer weiß von dieser Methode, Gewebe vom Knochen zu lösen?»
    «Rechtsmediziner, Ärzte, Chemiker, Biologen   … eigentlich jeder, der ein wenig Ahnung von biochemischen Vorgängen hat. Wie gesagt, es steht ja groß und breit auf jeder Waschmittelverpackung.»
    «Es ist dennoch eine ungewöhnliche Art, eine Leiche verschwinden zu lassen», sagte Heinlein. «Kannst du etwas zum Todeszeitpunkt sagen?»
    «Ich weiß ja noch nicht einmal, woran sie gestorben ist.»
    «Es handelt sich also um eine Frau?»
    «Ja, und wie ich auf den ersten Blick vermute, um eine junge. Nicht älter als dreißig. Sofern sie gleich nach dem Tod in die Waschlauge gelegt worden ist, könnte eigentlich alles in Frage kommen. Gift, Erwürgen oder ein Messer. Gewaltanwendung, die sich auf die Knochen ausgewirkt hat, scheidet aus. Das Projektileiner möglichen Schusswaffe müsste demnach alle Knochen verfehlt haben. Sie ist makellos. Ein optimales Exponat.»
    «Gibt es irgendwelche Hinweise, wer sie ist?»
    «Da fragst du besser die Jungs vom Erkennungsdienst. Ich habe nichts gefunden.»
    «Keine Kleidungsstücke, Ausweispapiere, Schlüssel   … irgendetwas Persönliches?»
    Pia verneinte. «Ich werde den Gebissstatus aufnehmen, und dann sehen wir weiter.»
    «Gut», sagte Heinlein, «dann wollen wir mal hören, was der Besitzer der Hütte zu sagen hat.»
    Er wandte sich ab, in der Erwartung, Kilian würde ihm folgen. Doch der war mit Pia noch nicht fertig.
    «Geh schon mal vor.»
    «Lass mich in Ruhe arbeiten», widersprach Pia. «Alles Weitere heute Abend.»
    «Ich will aber jetzt mit dir sprechen.»
    Heinlein zog ihn mit sich. «Frauen haben ihren eigenen Kopf. Das wirst du noch lernen müssen.»
    In der Wohnstube trafen sie auf Schneider. Er hatte die Befragung des Besitzers der Hütte abgeschlossen.
    «Nun, Schneider, was hat der Zeuge ausgesagt?», fragte Heinlein, als sei nichts gewesen.
    «Dass er das letzte Mal vor drei Wochen in der Hütte war», antwortete er. «In der Zwischenzeit sei die Hütte nicht vermietet gewesen.»
    «Er vermietet sie?» Heinlein fuhr sich nachdenklich durch die Haare. «Das erweitert den Kreis der Personen, die Zugang zur Hütte hatten. Andererseits dürfte es nicht schwer sein, sie zu
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