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Die Seilschaft

Die Seilschaft

Titel: Die Seilschaft
Autoren: Roman Rausch
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überlebt haben. Das Magnesium hat sich wie Säure durch Kleidung, Haut und Fleisch gefressen. Eigentlich habe ich nicht mehr damit gerechnet, dass wir Sie noch retten können. Zwischen das Magnesium und Ihre Leber passte kein Blatt Papier mehr. Danken Sie Ihrem Schutzengel.»
    Dann hatte er Kilian aufmunternd auf die Schulter geklopft, als rede er mit einem Halbwüchsigen.
    «Lassen Sie es in der nächsten Zeit etwas langsamer angehen,und denken Sie daran: Nichts übertreiben. Der Erfolg kommt in kleinen Schritten. Also bis zum nächsten Mal.»
    Kilian wischte sich den Speichel vom Mund. Von wegen, sagte er sich, so schnell wirst du mich nicht mehr zu Gesicht bekommen.
    Drei Monate andauernder Schmerz hatten eine überraschende Allergie gegen Menschen in weißen Kitteln ausgelöst. Wenn er seine Medikamente in der Apotheke abholte, erzeugte der Weißkittel vor ihm ein Unwohlsein, zuweilen ein leichtes Zittern. Es schien ihm unvorstellbar, je wieder ein Krankenhaus zu betreten.
    Kilian richtete sich auf. Im Moment hatten er ein anderes Problem. Wo zum Teufel war er? Die Bäume sahen alle gleich aus. Nirgends ein Hinweisschild. Er hatte nicht den blassesten Schimmer, in welche Richtung er musste. Das Magnesium steckte in seinem Körper und sorgte dafür, dass er stellenweise hilflos wie ein Kind war.
    So lief er einfach los. Die Wunde an seiner Leber schmerzte bei jedem Schritt. Sie war passabel verheilt, das Hautimplantat hielt zusammen, was es konnte, aber für richtigen Sport war es noch zu früh.
    Kilian hielt sich die Wunde und trabte weiter. Langsam, und vor allem nicht hinfallen, hieß die Devise. Das hätte alles zunichtegemacht.
    Gerade jetzt konnte er sich einen weiteren Krankenhausaufenthalt nicht erlauben. Seine Freundin Pia war im neunten Monat schwanger, der Geburtstermin in wenigen Tagen. Bis dahin durfte nichts mehr passieren. Wenn Pia niederkam, wollte er an ihrer Seite sein und den Neuankömmling in die Arme schließen. Das war das Ziel, auf das er hinarbeitete.
    Drei Anhöhen und zwei Zwangspausen weiter meinte er, Polizeifahrzeuge zwischen den Bäumen zu erkennen.
    Was machen die denn hier draußen?, fragte er sich. AußerHasen und Rehen, gab es in diesem dichten Wald nichts zu entdecken beziehungsweise zu verfolgen. Er seufzte erleichtert. Sie würden ihn zumindest in die Zivilisation zurückbringen.
    Als er sich den Einsatzfahrzeugen näherte, sah er eine Waldhütte. Wusste man nicht, dass es sie an dieser Stelle gab, niemand würde sie finden.
    Auf den letzten Metern musste er dichtes Unterholz überwinden. Absperrband und Einsatzfahrzeuge wären nicht nötig gewesen, hier gab es keine Neugierigen.
    «Was macht ihr denn hier draußen?», fragte Kilian den erstbesten Kollegen.
    «Kilian?», antwortete er. «Gute Frage. Was machst du hier?»
    «Hab mich verlaufen. Ein Glück, dass ich euch gefunden habe.» Er hielt sich die Seite. Den Weg durchs Unterholz hätte er sich besser erspart.
    «Ist was mit dir?» Er wollte ihm zu Hilfe kommen, doch Kilian wehrte ab.
    «Schon okay. Ich bin noch nicht ganz auf der Höhe.»
    «Kein Wunder, bei dem, was du erlebt hast. Ich war damals am Einsatzort dabei, und ehrlich, ich dachte nicht, dass ihr da lebend wieder rauskommt. Ihr müsst einen guten Schutzengel haben.»
    Mit
ihr
meinte er ihn und seinen Kollegen Schorsch Heinlein. Der hatte mehr Glück gehabt als Kilian, da er dem sich rasant entzündenden Magnesium nicht zu nahe gekommen war. Das gleißende Licht hatte ihn zwar für ein paar Tage geblendet, aber ansonsten war er heil aus der Sache rausgekommen.
    Tag für Tag, Woche um Woche war Heinlein an sein Krankenbett gekommen, hatte stundenlang dort gesessen und mit ihm die Schmerzen ertragen. Manchmal war es ihm vorgekommen, als hätte Heinlein geweint – leise, bitter und vorwurfsvoll.So hatte er ihn noch nie erlebt. Was war nur mit ihm geschehen? Er hatte ihn nie danach gefragt.
    «Was ist passiert?», fragte Kilian und deutete auf die Hütte.
    Schuler winkte angewidert ab. «Irgend so ein Psychomist. Die Leiche ist völlig skelettiert. Muss wohl schon länger hier liegen. War ein Festmahl für die Ratten und das Geziefer. Kein Stück Haut haben sie übrig gelassen.»
    «Wer ist an dem Fall dran?»
    «Der Schorsch natürlich.»
    Kilian wandte sich ab, um die Hütte zu betreten. Schuler hielt ihn zurück.
    «Warte, Kilian.» Er seufzte. «Sei vorsichtig, was du sagst. Der Schorsch ist nicht gut drauf.»
    «Was meinst du?»
    Statt einer Antwort, erhielt
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