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Die Seilschaft

Die Seilschaft

Titel: Die Seilschaft
Autoren: Roman Rausch
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kaum von Wasser unterschied.
    Als er sich jedoch in der Runde umblickte, fragte er sich, ob diese Vorsichtsmaßnahme nötig war.
    Diese feisten Gesichter auf den dicken Hälsen achteten nicht auf ihn. Sie waren ganz mit sich und ihren leeren Reden beschäftigt.
    Eine klare Wertordnung
,
Heimat für alle Bevölkerungsschichten
und
Kraft der Zukunft
, so ging es von Mund zu Mund.
    Glaubt ihr das wirklich?
    Nein, das tut ihr nicht. Genauso wenig wie ich daran glaube oder jeder andere Mensch, der halbwegs seinen Verstand beisammen hat. Aber wir wissen alle, dass die Wähler eher eine schöne Lüge hören wollen als die unbequeme Wahrheit.
    Auch das war ein Naturgesetz, und damit schloss sich der Kreis.
    «…   wie Werner schon bei seiner Rede in Vilshofen gesagt hat.»
    Mit Werner war er gemeint – Shootingstar Werner Schwerdt. Hoffnungsträger der Partei, die sich nach einer Reihe von Skandalen, galoppierendem Vertrauensverlust und Abstrafung durch das Wahlvolk am Rande des politischen Ruins befand. Die Mehrheit war seit den letzten Wahlen dahin und die Zwangsjacke Koalition eine Zumutung.
    Werner Schwerdt sollte nun den Karren aus dem Dreck ziehen. Er war der Mann der Umfragen. Sie bescheinigten ihm, das neue Gesicht der Partei zu sein – jung, zeitgemäß und begeisternd. Ein Spiegel der neuen Wähler- und Bevölkerungsschichten.
    Bei der Nennung seines Namens nickte er zustimmend, heuchelte Begeisterung und lächelte selbst der Frauenfront auffordernd zu, die ihm direkt gegenübersaß.
    Politik von Frauen, für Frauen und vor allem mit Frauen.
    Um Himmels willen, wenn das der Alte hören müsste, er würde sich im Grab angewidert umdrehen. Diese Frauen hatten ihren naturgegebenen Platz verlassen.
    Schwerdt seufzte. Wo blieb der Wein, den er bestellt hatte? Er schaute sich um. Weit und breit war niemand in Sicht außer dieser unerhört attraktiven jungen Frau, die mit kurzem Rock und sündhaft langen Beinen gerade den Kaisersaal betrat. Sie trug ein silbernes Tablett mit einem Glas darauf in den Händen und hielt genau auf ihn zu.
    Durst war nicht das erste Gefühl, das ihn dabei überkam.
    «Ihr Wasser, Herr Schwerdt», flüsterte sie und beugte sich zu ihm herab.
    Sein Blick fiel auf ihre Bluse. Es war alles da, wofür sich das Risiko lohnen würde.
    «Wie ist dein Name, schönes Kind?», fragte er.
    Er liebte es, den Erwachsenen zu spielen, den reifen und erfahrenen Mann. Wenn sie darauf einging, war der Handel perfekt.
    «Petra», antwortete sie. «Ich bin in der Ortsgruppe aktiv.»
    Das war perfekt, nein, es war mehr als das, das war phänomenal. Sie war eine Nachwuchspolitikerin aus den eigenen Reihen, die in ihm den Macher, den Befehlshaber aller Parteisoldaten sah.
    Er musste unweigerlich schmunzeln.
    Wieso war es nicht immer so einfach   …
    «Lass uns in der Pause reden», sagte er. «Ich möchte noch etwas mit dir besprechen.»
    Petra nickte. «Gerne, Herr Generalsekretär.» Dann zog sie sich zurück, leise und graziös.
    Als sie den Saal verlassen hatte, wusste Schwerdt, dass dieses fade Wochenende doch noch einen versöhnlichen Abschluss finden würde.
    Von gegenüber beobachtete ihn eine Frau. In ihrem Blick waren Abscheu und Hass vereint, sie hatte sich in Schwerdt nicht getäuscht. Er war genau das, was man ihm nachsagte. Ein verdammter Hurenbock. Sie versuchte den Widerwillen zu verdrängen und besann sich wieder auf ihre Professionalität.
    Schwerdt war so leicht berechenbar.
    Wenn es doch immer so einfach wäre.

3
    Kriminalhauptkommissar Johannes Kilian erbrach sich am Rand eines Trimm-dich-Pfads im Gramschatzer Wald.
    Die Anfälle von Übelkeit mit darauffolgendem Erbrechen kamen zwar nicht mehr so häufig wie in den vergangenen Wochen, nachdem er das Krankenhaus verlassen hatte, aber sie waren noch immer Bestandteil eines gewöhnlichen Tags.
    «Das Magnesium schleicht sich nur langsam aus dem Körper», hatte ihm der Oberarzt verkündet. «Viel frische Luft und moderate Bewegung sollten Ihnen bald wieder ein halbwegs normales Leben ermöglichen. Ob Sie aber wieder der werden, der sie vor dem Unfall waren, kann ich Ihnen nicht versprechen. Dafür hat Ihr Körper zu viel einstecken müssen.»
    Wie recht der Quacksalber hatte, dachte Kilian. Ein neuer Schwall kündigte sich an.
    Nie im Leben zuvor hatte er sich so elend gefühlt. Manchmal dachte er, er wäre lieber gestorben, als dieses Martyrium noch einen Tag länger ertragen zu müssen.
    «Es ist ohnehin ein Wunder, dass Sie das Feuer
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