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Die Seilschaft

Die Seilschaft

Titel: Die Seilschaft
Autoren: Roman Rausch
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«Muss eine Neue sein.»
    «Überprüf sie. Ich will wissen, wer sie ist, und vor allem, wie sie zu dem Foto gekommen ist.»
    Ein flüchtiges Grinsen huschte über die Lippen des Wahlkampfmanagers. Dem Generalsekretär entging es nicht.
    «Du bist der Letzte», zischte er ihn an, «der hier etwas zu grinsen hat. Wie kommt das Foto überhaupt in die Zeitung? Noch so ein Mist, und du kannst wieder Wahlplakate kleben.»
    «Das ist das Blatt der anderen», wehrte er sich. «Wir haben kein Druckmittel, um es zu verhindern.»
    «Dann streng den letzten Rest deines kümmerlichen Hirns an. Werbeanzeigen zurückziehen kann jeder Anfänger. Finde die Schwachstelle und nutze sie.»
    Am liebsten hätte er ihm das Schmierblatt um die Ohren gehauen. Wie sollte man mit solchen Stümpern einen Wahlkampf gewinnen?
    Dieses eine Foto konnte ihm alles kosten. Es traf ihn an seiner einzig verwundbaren Stelle – seinem Privatleben. Wieso ließen sie ihn nicht sein Leben führen, wie er es sich vorstellte? Schrieb er es denn anderen vor?
    Sicher nicht. Nun, bis auf ein paar Kleinigkeiten vielleicht, die in das Verständnis der Partei von Familie, Ordnung und Moral passten. Ansonsten konnte jeder tun und lassen, was er wollte. Und jetzt diese Machtlosigkeit – mit ansehen zu müssen, wie jeder x-beliebige Praktikant seine heimtückischen Fotos in Zeitungen veröffentlichen durfte.
    Es war die gleiche Machtlosigkeit, die er alle vier Jahre verspürte, wenn er sich jedem dahergelaufenen Schnösel anbiedern musste, damit er ihm seine Stimme gab. Sosehr er auch die Idee von Demokratie liebte, das Volk war ein verdammterUnsicherheitsfaktor. Seine Macht zu begrenzen war für einen Politiker die einzig sinnvolle Schlussfolgerung.
    Dieses Foto. Im Hintergrund war ein Schatten am Fenster zu sehen. Es war der von Charlotte.
    Er hatte sie bei der alljährlichen Starkbierprobe auf dem Nockherberg mit anschließendem Politiker-Derblecken kennengelernt. Charlotte, die liebenswerte Gattin des Gegenkandidaten, war eine harte Nuss gewesen. Eifrig und züchtig stand sie ihrem Gatten zur Seite, und selbst die derbste Spitze gegen ihren politisch nicht immer glücklich agierenden Mann nahm sie mit offensichtlicher Heiterkeit.
    Erst im Bett hatte sie ihm gestanden, dass sie vor Scham am liebsten in den Boden versunken wäre. Er sei ein aufgeblasener Wichtigtuer, der, außer dumm daherzureden, nichts auf die Reihe brachte. Sie hasste ihn mit jeder Faser ihres Körpers, genauso, wie sie ihn nun mit aller Leidenschaft betrog.
    Das war der leichte Teil der Verführung gewesen.
    Der schwere war, die vielen kleinen, aber auch großen Geheimnisse über den politischen Gegner zu erfahren. Es gelang ihm mit dem Versprechen, sie zu heiraten, sobald die Wahl entschieden war. So lange sollte sie für den Ehemann lächeln und für den Liebhaber die Ohren offenhalten. Um alles Weitere würde er sich kümmern.
    Der Plan war so weit aufgegangen.
    Und nun das. Wenn die Medien erführen, wer sich hinter dem Vorhang verborgen gehalten hatte, dann würde die Stimmung kippen. Er wäre dann nicht länger der Wahrer von Recht und Moral im Freistaat, sondern nur noch ein schändlicher Hurenbock, der nicht die Finger von anständigen Frauen lassen konnte. Sein Gegenkandidat wäre damit der bedauernswerte, gehörnte Ehemann, dem man nun mit dem Wahlzettel über die erlittene Schmach hinweghelfen musste.
    Das war eine gefährliche und beängstigende Situation.
    Eine Frau konnte alles zerstören.
    Sowohl die Reporterin Sonja Lindström als auch die von den Medien bloßgestellte Ehebrecherin Charlotte, die als reumütige Sünderin letztlich alles gestehen und an die Seite ihres betrogenen Ehemanns zurückkehren würde.
    Und sofern er nicht den letzten Rest politischen Kalküls in Selbstmitleid und Alkohol ertränkt hatte, würde er sie – wenn auch gekränkt – schließlich doch wieder in die Familie aufnehmen.
    Die Vergebung war eine zutiefst christliche Tugend im Freistaat, und sie würde dem eigentlichen Verlierer den nicht mehr für möglich gehaltenen Sieg bringen.
    Welch eine Schmierenkomödie. Es wurde ihm ganz schlecht bei dem Gedanken.
    Er brauchte unbedingt etwas zu trinken. Auf dem Tisch standen Wasserflaschen, Säfte, Kaffee und Tee. Nein, nicht dieses fade Zeug. Die Würzburger rühmten sich doch für ihren Frankenwein. Er zitierte einen Kellner herbei und flüsterte ihm die Bestellung ins Ohr. Es sollte ein heller Wein in einem unauffälligen Glas sein, der sich farblich
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