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Die Sehnsucht Meines Bruders

Die Sehnsucht Meines Bruders

Titel: Die Sehnsucht Meines Bruders
Autoren: Joe Waters
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entstellt durch hässliche Schwellungen und Blutergüsse, die ich ihm beigebracht hatte.
    Seine schönen Züge, die gestern noch so makellos im Mondlicht schimmerten ... bei dem Gedanken daran, an die Schönheit meines Bruders, die samtweiche Haut seiner Brust, seine feuchten blonden Locken, sein Glied im Mund eines Fremden ... spritzte ich endlich ab.
    Als ich wieder einigermaßen denken konnte, überfluteten mich heiße Wellen von Wut und Scham. Sicher, Sex war Sex, und nur weil ich eine besonders geile Situation unter Männern als Wichsvorlage benutzt hatte, war ich noch nicht unbedingt schwul. Aber musste es denn unbedingt mein Bruder sein, den ich zu diesem Zwecke missbrauchte? Das war widerlich!
    Heute Nachmittag hatte ich ihn noch verprügelt, weil er genau das andeutete, dass ich die Situation geil fand. Vor Verzweiflung aufstöhnend schlug ich meine Fäuste mit Wucht gegen die Badezimmerwand, immer wieder. Der Schmerz tat gut.
    Ich zog ich meinen Bademantel an und lief ziellos und ruhelos durch die Wohnung. Grübelte, ohne zu einem Entschluss zu kommen. Schließlich ging ich in die Küche und goss mir ein Wasserglas voll Laphroaig ein, doch diesmal trank ich ihn pur. Ich wollte, dass er sich seinen Weg meine Kehle hinunter biss.
    Ich öffnete alle Fenster und starrte, das Glas in der Hand, in die Nacht hinaus. Ein makelloser Mond stand am Himmel und tauchte Wiesen und Felsen in helles Licht und schwarze Schatten. Es war wie am Tage nur dass jemand das ganze um ein paar Stufen herunter gedimmt hatte. Es ging ein leichter Wind, die Wipfel der Linden unten im Park rauschten leise.
    Zunächst einmal würde ich James aus dem Weg gehen. Guter Plan! Nach einigen Tagen, in denen ich mich wieder beruhigt hätte, wollte ich mit ihm reden. Ein langes und intensives Gespräch unter Männern, nein, unter Brüdern. Vielleicht hatte er ja eine Idee, wie wir diese absurde Beziehung oder besser Nichtbeziehung in einigermaßen zivilisierte Bahnen lenken konnten.
    Doch zuerst würde ich jetzt nachsehen, wie es ihm ging. Mich in aller Form bei ihm entschuldigen. Ihm schwören, dass es nie wieder vorkäme.
    Entschlossen stellte ich mein Glas ab, zog meinen Bademantel enger um meine Hüften und öffnete leise seine Tür.
    Der Mond schien so hell durchs Fenster, dass ich sein Gesicht ganz gut erkennen konnte. Er schlief nicht, starrte nur unbeweglich zur Decke auf, die Arme unter dem Kopf verschränkt. Als er mich kommen hörte, wandte er sich mir zu.
    Ich holte mir einen Stuhl heran und setzte mich neben sein Bett.
„Wie geht es dir?“ flüsterte ich.
„Es tut weh, Mann.“ Auch er flüsterte.
„Oh, James, es tut mir so Leid, ich kann dir gar nicht sagen wie sehr.“
„Das sagst du jedes Mal.“
„Ich weiß, ich hab deinen Zorn verdient.“
„Ich bin nicht wütend auf dich, Ray.“, sagte er ein wenig resigniert.
„Nein? Ich an deiner Stelle wäre es. Und ich bin auch nicht mehr bereit, damit zu leben. Ich weiß nur nicht, was ich tun soll. So lange habe ich an mir gearbeitet. Dachte, ich hätte mich endlich unter Kontrolle. Du kannst dir nicht vorstellen, wie entsetzt und enttäuscht ich bin, dass du hier nur aufkreuzen musst, und meine alter Jähzorn geht wieder mit mir durch. Glaub mir, ich hasse mich gründlich dafür.“
„Tja, Alter ...“
Jetzt unterbreitete ich ihm meinen Plan. Dass wir uns ein paar Tage strikt aus dem Weg gehen und uns danach mal so richtig aussprechen sollten.
„Und was soll ich so lange machen? Ich kenne hier keine Menschenseele.“ Seine Stimme klang lustlos.
Überrascht sah ich ihn an. Es musste doch vor allem in seinem Interesse liegen, sich vor mir zurückzuziehen. „Du schließt doch sonst so schnell Freundschaften ...“, sagte ich halbherzig.
„Schon, aber ich bin hier, um dich kennenzulernen. Ich will auch, dass wir besser miteinander auskommen.“
„Warum reizt du mich dann ständig so?“
„Weiß nicht, ist vielleicht ein kleiner Teufel in mir.“
„Nein, so geht das nicht, das akzeptiere ich nicht. Wenn wir wirklich weiter kommen wollen, musst du dir schon was Besseres einfallen lassen. Wir müssen alles aufdröseln, von Anfang an. Denk einfach in den nächsten, sagen wir fünf Tagen, noch mal gründlich nach, ja?“
Ich hatte unwillkürlich eine begleitende Handbewegung zu meinen Worten gemacht. Jetzt fielen ihm meine geschwollenen und teilweise blutverkrusteten Knöchel auf. Er erschrak und betastete mit zärtlich streichelnden Fingerspitzen meine verletzte Rechte.
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