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Die Seherin von Garmisch

Titel: Die Seherin von Garmisch
Autoren: Martin Schueller
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lass mich versetzen. Nach Ingolstadt.«
    Schafmann nickte so geduldig, dass es Schwemmer noch
weiter die Laune verhagelte.
    »Und? Irgendwelche Erkenntnisse? Oder haben wieder
alle darauf gewartet, dass der Chef endlich aus dem Bett kommt?«
    Schafmann seufzte ironisch. »Trink deinen Kaffee«,
sagte er. »Kugler wurde mit Chloroform betäubt. Die Werkzeuge sind übersät mit
seinen Fingerabdrücken.«
    »Und die Kiste?«
    »Enthält einen .22er Smith & Wesson-Revolver und
ein Jagdmesser, an dem Dräger Blutspuren gefunden hat. Auf beiden Waffen sind
Kuglers Fingerabdrücke.«
    Schwemmer nippte an seinem Becher und versuchte das
Gehörte zu verarbeiten.
    Antonia Kunkel hatte tatsächlich die Beweise mit ins
Grab genommen.
    Wenn dies wirklich die Tatwaffen waren, gäbe es ein
Wiederaufnahmeverfahren, so sicher wie das Amen in der Kirche. Kugler käme doch
noch hinter Gitter, und Johanna Kindel wäre rehabilitiert.
    Aber was zum Teufel war vorgefallen auf dem Friedhof
letzte Nacht? Er sah Schafmann an, der den Blick völlig korrekt als das Flehen
um eine Erklärung interpretierte.
    »Kugler«, sagte Schafmann, »gräbt nach den Beweisen,
die seine Mutter mit ins Grab genommen hat. Er findet sie. In diesem Moment
wird er überwältigt, betäubt und gefesselt. Jemand ruft 110 an.«
    »Und wer soll das gewesen sein?«
    Schafmann reichte Schwemmer eine Klarsichthülle. Das
Blatt darin war zuvor mehrfach gefaltet gewesen. »Das steckte in Kuglers
Tasche«, sagte er.
    Es trug nur drei gedruckte Zeilen.
    »›Wir wissen, wo die Beweise sind‹«, las Schwemmer
vor. »›Wir werden sie uns holen. Du bist fällig.‹«
    »Jemand hat ihn unter Druck gesetzt.«
    »Aber wer?«
    Das Telefon auf Schwemmers Schreibtisch läutete. Es
war Dräger. Er klang ungewohnt unsicher.
    »Wäre es möglich, Sie unter vier Augen zu sprechen?«,
fragte er.
    Dräger stand an einem der hohen Labortische. Einem
Kollegen, der sich ebenfalls im Raum befand, bedeutete er mit einer
Kopfbewegung, sie allein zu lassen. Er wirkte verstimmt.
    Vor ihm stand offen die ominöse Kiste aus schwarz
lackiertem Sperrholz. Die beiden Waffen lagen luftdicht verpackt daneben. »Die
Kiste war verschlossen«, sagte Dräger. »Und das schon lange. Das Schloss war
völlig eingerostet. Die ist seit Jahren nicht geöffnet worden. Das nur vorab.«
    »Und was ist das Problem?«, fragte Schwemmer
ungeduldig.
    Dräger nahm eine Pinzette und warf damit den Deckel
der Kiste zu. Er war mit silbergrauem Puder bestäubt und voller Fingerabdrücke.
    »Insgesamt sind vier verschiedene Abdrücke drauf. Die
von Kugler. Dann zwei bisher unbekannte – da würde ich vermuten, die der
Verstorbenen und von dem, der die Kiste in den Sarg gelegt hat. Und noch
einer.«
    Er wies mit der Pinzette auf die Mitte des Deckels.
Schwemmer ging nahe heran und kniff die Augen zusammen. Dort, mitten auf dem
Deckel, war ein Abdruck, fast konnte man sagen, er prangte dort.
    »Die Stelle ist abgewischt worden, und dann hat er seinen
Daumen draufgedrückt«, sagte Dräger. »Er hätte genauso gut seinen
Personalausweis hinlegen können.«
    »Er? Kennen wir ihn denn?«
    »Ich kenne ihn nicht. Aber Sie, Sie kennen ihn.«
    * * *
    Lortzig kniete in dem Blumenbeet an der Front seines
Hauses. Ein sehr schönes Haus, fand Schwemmer, leider direkt an der B 23
gelegen. Lortzig kehrte ihm den Rücken zu. Er trug grüne Gummistiefel und eine
Kniebundhose und jätete Unkraut zwischen den sprießenden Tulpen. Als Schwemmer
ihn ansprach, sah er auf. Er war kein bisschen überrascht. Etwas mühsam stand
er auf und wischte sich die Finger sorgfältig an der Hose ab, bevor er
Schwemmer die Hand reichte. Nach einem festen Händedruck bat er ihn ins Haus.
    Es war hell und fast modern eingerichtet, was
Schwemmer leicht überraschte. Irgendwie hatte er es etwas traditioneller
erwartet. Lortzig bemerkte seinen Blick.
    »Meine Frau hat Innenarchitektur studiert«, sagte er
lächelnd. »Nehmen Sie Platz.« Er wies auf eine senfgelbe Polstergarnitur mit
Stahlrohrrahmen. »Kann ich Ihnen was anbieten? Ich hab Kaffee fertig.«
    Schwemmer nahm dankend an und ließ sich in einen der
Sessel sinken. Er war bequemer, als er aussah. Lortzig kam mit zwei Tassen und
einer Thermoskanne herein und setzte sich zu ihm. Etwas umständlich schenkte er
ein. Sie tranken beide. Bevor das Schweigen unangenehm wurde, sagte Lortzig:
    »Ich habe Sie natürlich erwartet.«
    »Natürlich«, sagte Schwemmer. »Den Kollegen Dräger vom
K 3 haben Sie nicht
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