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Die Seherin der Kelten

Die Seherin der Kelten

Titel: Die Seherin der Kelten
Autoren: Manda Scott
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das kann ich dir versprechen.«
    Valerius war kein Mann, der leichtfertig irgendetwas versprach, das hatte sie bereits gelernt. Versuchsweise zog Breaca einmal die Knie bis zur Brust an und streckte die Beine dann wieder von sich. So viel zumindest war ihr schon möglich, ohne dass sie die Luft anhalten musste, um vor Schmerzen nicht laut loszufluchen. Sie wiederholte die Bewegung noch einmal, diesmal etwas entspannter.
    »Mutter?«
    Mit einem Ruck setzte Breaca sich auf und vergaß allen Schmerz. »Graine? Ich dachte, du würdest schlafen?«
    »Nein. Ich will nicht schlafen. Schlafen tut weh.« Graine lag eine Armlänge von Breaca entfernt. Schon seit zwei Tagen lag sie dort, seit Airmid gesagt hatte, dass es ihr wieder gut genug ginge, um sie das kurze Stück durch die Siedlung hindurch und von der einen Hütte zur anderen hinüberzutragen. Nun lag sie inmitten des wie Streifen schimmernden Sonnenlichts und schien beinahe so körperlos wie ein Geist; mit der weißen Haut, die sich straff über ihren von Schlägen traktierten Schädel spannte, mit den blauen Flecken in ihrem Gesicht, die langsam wieder verblassten, und mit den bläulich schwarzen Schatten unter ihren Augen, die offenbar noch lange nicht weichen wollten.
    Langsam stand Breaca auf. »Airmid hat mir etwas zu trinken für dich dagelassen. Vielleicht hilft das ja. Soll ich es dir reichen?«
    »Nein.« Graine verzog das Gesicht zu einer Grimasse, wandte sich ab und rieb sich wie ein kleines Kind mit den Handrücken die Augen.
    »Ich habe auch noch etwas Milch und Käse. Und es ist auch kein Mohn darin oder irgendetwas anderes, von dem du wieder träumen wirst. Wollen wir das gemeinsam essen?«
    Breaca saß am Rande der aufeinander gestapelten Schaffelle, zerkrümelte den weißen Ziegenkäse und fand schließlich sogar noch einen verschrumpelten Apfel, den einer der kürzlich angekommenen Krieger mitgebracht haben musste. Sie biss ein halbmondförmiges Stück aus der Frucht heraus und bot es Graine an. »Graine? Liebe meines Lebens, kannst du etwas essen?«
    »Ein bisschen.« Gemeinsam saßen sie nun dort, beide innerlich wie zerbrochen, und sie aßen sehr langsam, bemüht, trotz der Übelkeit und der Angst, etwas zu sich zu nehmen.
    Graine kaute träge, wie mechanisch, als ob es eine Art Pflicht wäre, die sie nur widerwillig erfüllte. Sie starrte zur Tür hinaus auf die sich dahinter erstreckende Siedlung. »Wer macht da diesen Lärm?«
    »Das Hämmern? Das sind Gunovar und Valerius, mein Bruder. Sie stellen die Waffen für die neuen Krieger her.«
    Und es gab wahrhaftig eine ganze Menge neu hinzugekommener Krieger. In den Tagen, als Breaca bettlägerig gewesen war, war das Kriegsheer auf über eintausend Mann angewachsen, und es kamen immer noch mehr hinzu. Sie standen unter dem Befehl von Ardacos, gemeinsam mit Dubornos. Es war wichtig, dass man Dubornos stets irgendeine Beschäftigung gab; denn er lebte nur noch, weil auch Graine noch lebte. Wäre sie gestorben, hätte er sich auf ihr Grab gelegt und wäre ihr in das Land jenseits des Lebens gefolgt. Breaca hatte ihn zwar öffentlich und vor Zeugen von aller Schuld freigesprochen, doch er hatte ihr nicht geglaubt.
    »Wird es einen Krieg geben?« Graine schaute noch immer zur Tür hinaus.
    »Ja. Sogar schon sehr bald.«
    »Wenn du aber immer noch krank bist, wird dann Valerius das Kriegsheer anführen?«
    »Vielleicht. Wenn die anderen ihm folgen. Er kennt Rom am besten. Wenn die Legionen heranrücken, was sie nun ja zwangsläufig müssen, weiß er am besten, wie man sie zu bekämpfen hat.«
    »Aber Cunomar hasst ihn.«
    Breaca legte ihr Stückchen Käse zur Seite, konnte plötzlich nicht mehr weiteressen. Graine war so klein und war so krank gewesen, und Breaca hatte gedacht, sie schliefe, als Cunomar sie in die Hütte getragen hatte und dann feststellen musste, dass in dieser bereits Valerius wartete; und Cunomar hatte sich geweigert, Valerius überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. Die ganze Szene hatte nur einen kurzen Augenblick gedauert, und Valerius war schließlich hinausgegangen, ganz so, als ob er tatsächlich kein Recht hätte, in Airmids Kate zu sein.
    Breaca hatte ihn nicht aufgehalten. Es war das erste Mal gewesen, dass sie ihren Sohn wieder gesehen hatte, nachdem er in Sklavenketten unter jenem Kreuz gestanden hatte, an dem er ursprünglich hatte sterben sollen, und sie hatte ihre ganze Selbstbeherrschung aufbringen müssen, um still liegen zu bleiben, ihren Sohn lediglich ruhig anzublicken
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