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Die sechste Kugel

Die sechste Kugel

Titel: Die sechste Kugel
Autoren: Martin Johannson
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lädierten Fußes ging ich schnurstracks zu meinem Mietwagen. Immerhin hatte ich noch eine Adresse, an die ich mich wenden konnte.
     
    ***
     
    Die Goetheschule lag auf dem Festland, einige Kilometer von Florianopolis entfernt, in einer kleinen Stadt an den sanften Hängen eines Hügels. Der Unterricht war längst aus, nur noch einen älteren Hausmeister und zwei Gärtner traf ich an. Die sprachen jedoch kein Englisch, und mein Portugiesisch reichte nicht aus, um ihnen die Sachlage ausreichend zu erklären. Als ich ihnen die Drohbriefe zeigte, bekreuzigten sie sich und wandten mir den Rücken zu. Der Hausmeister verschwand im Haus, verriegelte die Tür hinter sich, während sich die anderen beiden wortlos in den hinteren Bereich der Anlage entfernten und zwischen den Büschen wie in Luft auflösten.
    Ich blieb allein zurück. Ratlos stand ich vor dem Gebäude und war nun doch drauf und dran, die Polizei zu rufen, als ich drei Kinder bemerkte, die auf der Straße Fußball spielten. Ich steuerte auf sie zu und befragte sie mit Hilfe von Händen und Füßen zur Schule, speziell zu einer Lehrerin, wobei ich ihnen Clara so genau wie möglich beschrieb.
    Alle drei schüttelten den Kopf und erklärten, sie wüssten nicht, was oder wen ich meinte. Doch einer der Jungs benahm sich merkwürdig. Er musterte mich heimlich, doch wenn ich ihn ansah, blickte er schnell weg. Er wusste etwas, da war ich mir sicher.
    Also verabschiedete ich mich und tat, als würde ich zu meinem Auto gehen. Dabei beobachtete ich, wie er mir mit seinen Blicken folgte. Ich setzte mich ins Auto, fuhr ein paar Meter um die Ecke und stieg wieder aus.
    An der Ecke unter einer leuchtend lila blühenden Bougainvillea angekommen, legte ich mich auf die Lauer. Es dauerte ungefähr eine Stunde, bis die Schüler von der Straße verschwanden. Der Junge, der mir aufgefallen war, lief zu einem Haus gegenüber meiner Straßenecke. Es war nicht sehr groß, aber sauber und ordentlich, der Garten gepflegt und das Haus frisch verputzt.
    »He, warte mal!«, rief ich ihn, bevor er das Tor öffnete. Er zögerte, blieb jedoch stehen, bis ich bei ihm war. »Du kennst die Frau, von der ich gesprochen habe. Stimmt’s?«
    Er zögerte erneut, dann nickte. »Sie ist die Lehrerin meines Bruders.«
    »Weißt du, wo sie ist?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich denke, mein Bruder hat etwas für Sie.«
    »Für mich?« Ich war perplex.
    »Ich hole ihn.«
    Er lief auf das Grundstück und rannte die Treppe hinauf. Nur wenige Minuten später erschien ein weiterer Junge, der dem ersten wie aus dem Gesicht geschnitten schien, nur drei Jahre älter.
    »Sie sind der Mann aus Deutschland?«, fragte er mich in gebrochenem Deutsch.
    »Ja, der bin ich. Was hast du für mich?«
    Er griff in seine Hosentasche und reichte mir einen Brief. »Frau Kruger bat mich, Ihnen das zu geben, wenn Sie nach ihr fragen.«
    Verwundert nahm ich den Brief entgegen. Wusste sie, dass sie entführt werden und ich mich nach ihr erkundigen würde? Ich riss ihn auf und las ihn. Was sie mir mitteilte, gefiel mir ganz und gar nicht.
    »Lieber Peter,
    wenn du das liest, haben sie mich vermutlich erwischt, entführt oder gar getötet. Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass sie hinter mir her sind und vor nichts zurückschrecken. Sie, das ist ein Drogenkartell, das in dieser Gegend agiert und auch Drogen an unsere Schüler verteilt. Ich habe alles versucht, sie zurückzuhalten, die Polizei eingeschaltet, den Bürgermeister angeschrieben, die ganze Schule und die halbe Stadt mobilisiert, aber niemand wagt es, gegen sie vorzugehen. Sie beherrschen alles und jeden hier. Ich danke dir, dass du gekommen bist, um mich zu finden. Und ich hoffe, dass du mehr Mut hast als alle anderen. Ich kann nicht von dir verlangen, dass du mich rettest oder versuchst, es mit den Verbrechern aufzunehmen, aber du bist der Einzige, dem ich vertrauen kann. Bei dir kann ich mir sicher sein, dass du nicht von ihnen bezahlt oder bedroht wirst, wie die meisten Menschen dieser Gegend.
    Bitte hilf mir! Falls ich es nicht überlebe, bitte ich dich, meine Leiche nach Deutschland zurückzubringen.
    Danke.
    Helene«
     
    Ich ließ den Brief sinken und starrte den Jungen entsetzt an.
    »Weißt du, was drin steht?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Gut«, erwiderte ich. »Was weißt du von den Drogenbossen?«
    Seine Augen weiteten sich vor Schrecken. »Nichts!«
    »Du musst keine Angst vor mir haben. Ich bin ein Freund deiner Lehrerin. Sie ist in Schwierigkeiten und
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