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Die Séance

Die Séance

Titel: Die Séance
Autoren: Heather Graham
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was die Polizei hier wollte, dann war sie plötzlich von allen vergessen, als der Notarzt und seine Assistenten die Treppe hoch eilten. Sie folgte ihnen. Jemand fragte ihre Granma, was passiert wäre; sie erklärte, als sie aufwachte, hätte er sich schon kalt angefühlt.
    “Er ist seit Stunden tot, mindestens seit Mitternacht”, sagte jemand anders. Dann ging dieser jemand ans Telefon und rief Opas Hausarzt an, und Christie wurde klar, weil er zu Hause “dahingegangen” war, mussten sie sichergehen, dass Granma ihn nicht umgebracht hatte.
    Über diesen Verdacht war Christie entsetzt.
    Aber dann erst begriff sie, was das wirklich bedeutete.
    Granpa war gegangen.
    Granpa war tot.
    Aber er war auch in ihrem Zimmer gewesen!
    Nach Mitternacht.
    Ihre Mutter entdeckte sie und ergriff ihre Hand. Sie schluchzte, und Christie spürte ihren Schmerz, auch ihren eigenen Verlust. Irgendwie war das nicht so schlimm. Granpa war schließlich zufrieden gewesen, bereit, in einem Land zu leben, wo es wieder so grün war wie in Eire.
    “Mom, es ist alles gut, es ist alles gut”, sagte sie eindringlich.
    Ihre Mutter war abgelenkt und schien sie nicht richtig zu verstehen. “Er war sehr krank”, wisperte sie. “Er hatte Schmerzen. Und jetzt … hat er keine mehr.”
    “Ich habe ihn gesehen, Mom. Letzte Nacht. Er liebt dich ganz doll. Er sagte, dass es ihm gut geht, und er will, dass es dir auch gut geht.”
    “Kindermund”, sagte ihr Vater freundlich. “Hey, es ist kalt heute, junge Dame. Du solltest was an die Füße ziehen.”
    “Ich kümmere mich um sie”, sagte ihre Mutter.
    Schweigend ging sie mit Christie auf ihr Zimmer, immer noch leicht abgelenkt, weinend; die Tränen rannen ihr übers Gesicht.
    In Christies Zimmer blieb ihre Mutter stehen und starrte sie mit gerunzelter Stirn an. “Beinahe … beinahe kann ich seinen Tabak riechen.”
    “Er war ja auch hier. Bei mir. Das habe ich dir doch gesagt, Mom.”
    Ihre Mutter sah sie an, als ob sie Christie zum ersten Mal wirklich verstand. Sie vergaß die Slipper völlig, wurde blass und verließ das Zimmer.
    In dieser Nacht kamen die anderen Iren aus der Gegend zu Besuch. Zuerst und vor allem natürlich die Familie, ihr Onkel und ihre Tante und ihre Cousins. Sie alle in Trauer, die Jungs, nur wenig älter als Christie, wirkten auf einmal sehr erwachsen und ernst und gingen sanft und sogar höflich mit ihr um.
    Granpa hatte exakte Anweisungen hinterlassen. Man sollte nicht um ihn trauern. Sein Leben sollte nach alter Art gefeiert werden. Also kamen auch seine Kumpels, und sie tranken Bier, und sie lamentierten, aber sie feierten auch, erzählten Geschichten, tranken noch mehr Bier. Und Granpa wäre auf seine Familie stolz gewesen, sie bewirtete alle, die ihn geliebt hatten, so wie es in der alten Heimat üblich war.
    Seamus Michael McDuff wurde drei Tage später beerdigt.
    An seinem Grab gab es niemanden, der nicht um ihn weinte. Er war siebzig Jahre alt geworden und hatte ein erfülltes Leben gehabt. Er war aus Irland in die Vereinigten Staaten gekommen, mit seiner Frau, seiner Tochter und seinem Sohn, und er hatte ein gutes Heim für sie geschaffen. Er war Patissier gewesen, der für Kuchen und Desserts zuständige Küchenchef eines Restaurants, und er hatte sehr hart gearbeitet und sein Geld gespart, und schließlich sein eigenes Restaurant eröffnet, wo er auch das irische Talent für Gesang und Geschwätz an den Tag gelegt und seine Gäste ebenso gut unterhalten wie leiblich verwöhnt hatte. Er hatte Gott und seine Familie geliebt; er war ein guter Mensch gewesen.
    Als die alten irischen Dudelsäcke die traurige Melodie eines Klagelieds erklingen ließen, da sah Christie ihn noch einmal.
    Die meisten Leute standen, aber Granma hatte sich hingesetzt, als er an ihre Seite trat, ihr Haar berührte und ihr ins Ohr flüsterte.
    Granma sah auf, verblüfft, die Stirn runzelnd. Dann schien es Christie so, als würde die Andeutung eines versonnenen Lächelns durch ihre Tränen schimmern.
    Granpa drehte sich um, als sei ihm bewusst, dass Christie ihn beobachtete, und blinzelte ihr zu. Er sah jetzt so gesund aus. So viel jünger. Sein verschmitztes gälisches Selbst.
    Sie konnte nicht anders, sie musste einfach zurücklächeln.
    Die Trauerfeier ging zu Ende, die Dudelsäcke spielten “Danny Boy”.
    In diesem Augenblick sah sie auf, ließ ihren Blick über den ganzen Friedhof schweifen.
    Eine weitere Beerdigungszeremonie fand gerade statt, klein im Vergleich zu der ihres
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