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Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn

Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn

Titel: Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn
Autoren: Colin Dexter
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Stenoblock auf. Irgendwann muß man ja mal anfangen. Automatisch greift sie zum Lineal und streicht sauber den dritten Namen auf dem Briefkopf durch. Dr. Bartlett hat angeordnet, daß die Damen jedes Blatt von Hand zu verbessern haben, bis die neuen Briefbögen geliefert worden sind – und Margaret Freeman tut meist, was ihr gesagt wird.
     
    Dr. phil. T. G. Bartlett, M. A., Geschäftsführer
    P. J. Ogleby, M. A., Stellvertretender Geschäftsführer
    G. Bland, M. A.
    Miss M. M. Height, M. A.
    D. J. Martin, B . A.
     
    Unter den letzten Namen tippt sie: »N. Quinn, M. A.« So heißt ihr neuer Boss.
     
    Als Margaret Freeman weg war, öffnete Quinn einen seiner Aktenschränke und holte die Entwürfe der Prüfungsbögen für Geschichte heraus. Noch ein, zwei Stunden, dann konnten sie in Druck gehen. Alles in allem war er mit seinem Leben recht zufrieden. Das Diktieren (eine für ihn völlig neue Tätigkeit) war gut gelaufen; allmählich kam er dahinter, wie man es anstellt, seine Gedanken unmittelbar in gesprochene Worte umzusetzen, ohne sie erst aufschreiben zu müssen. Und er war sein eigener Herr. Bartlett verstand sich auf die Kunst des Delegierens, und sofern nicht ganz grobe Schnitzer vorkamen, ließ er seine Mitarbeiter völlig selbständig schalten und walten. Ja, Quinn hatte Spaß an seinem neuen Job. Nur die Telefone machten ihm Kummer und brachten ihn, wie er selbst zugab, immer wieder in die größte Verlegenheit. In jedem Büro standen zwei Apparate, ein weißer für Hausverbindungen, ein grauer für Amtsgespräche. Da hockten sie nun, dick und drohend, rechts von Quinn, und er betete darum, daß sie Ruhe gaben, denn noch immer konnte er das Gefühl der Panik nicht bezwingen, das in ihm aufstieg, wenn ihr leises, fernes Schnarren ihn zwang, den einen oder anderen Hörer abzunehmen (er wußte nie welchen). Doch an diesem Vormittag blieben beide Apparate still, und Quinn vermerkte ruhig und gesammelt die vereinbarten Änderungen in den Prüfungsbögen. Um Viertel vor eins war er mit vier der Fragebögen fertig und stellte angenehm überrascht fest, wie rasch der Vormittag vergangen war. Er schloß die Unterlagen ein (Bartlett war in Sicherheitsfragen unheimlich pingelig) und überlegte, ob Monica wohl mit ihm auf einen Drink und ein Sandwich in das Pub Roß und Trompete gehen würde – das er beim erstenmal als »Geile Agnethe« mißverstanden hatte. Monicas Büro war direkt gegenüber. Er klopfte leise und machte die Tür auf. Sie war nicht da.
     
    In der Bar des Pubs Roß und Trompete schob sich ein hochgewachsener Mann mit strähnigem Haar vorsichtig an den vollbesetzten Tischen vorbei bis in die hinterste Ecke. In der linken Hand hatte er einen Teller mit Sandwiches, in der rechten ein Glas Gin und einen Krug Bier. Er setzte sich neben eine Frau von Mitte Dreißig. Sie rauchte und war sehr attraktiv. Schon ein paarmal hatten taxierende Blicke der Männer von den Nachbartischen sie gestreift.
    »Prost.« Er hob sein Glas und steckte die Nase in den Schaum.
    »Prost.« Sie trank einen Schluck Gin und drückte die Zigarette aus.
    »Hast du an mich gedacht?« fragte er.
    »Ich hatte zu viel um die Ohren, da war überhaupt keine Zeit, um an irgendwelche Leute zu denken.« Das klang nicht sehr ermutigend.
    »Aber ich habe an dich gedacht.«
    »Ach ja?«
    Es gab eine Pause.
    »Es muß ein Ende haben, das müßte dir eigentlich klar sein.« Erst jetzt sah sie ihm gerade ins Gesicht. Er war merklich betroffen.
    »Gestern hast du gesagt, daß es dir Spaß gemacht hat«, sagte er sehr leise.
    »Klar hat es mir Spaß gemacht. Darum geht es doch nicht«, sagte sie ungeduldig und etwas zu laut.
    »Pst! Sollen das alle hören?«
    »Du bist wirklich kindisch. So kann es nicht weitergehen. Wenn die bis jetzt noch nichts gewittert haben, sind sie blind. Wir müssen Schluß machen. Du bist schließlich verheiratet. Bei mir ist es nicht so kritisch, aber –«
    »Könnten wir nicht einfach –«
    »Nein, Donald. Ein für allemal nein. Ich habe es mir lange überlegt, und … Es muß einfach aufhören. Tut mir leid, aber …«
    Es war wirklich riskant, und am meisten fürchtete sie, Bartlett könnte ihnen auf die Spur kommen. Der mit seiner viktorianischen Einstellung …
    Sie gingen wortlos ins Büro zurück, aber Donald Martin war nicht ganz so untröstlich, wie er tat. Ähnliche Gespräche hatten sie schon ein paarmal geführt, und wenn er den richtigen Augenblick abpaßte, spielte sie nur zu gern wieder mit. Solange
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