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Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn

Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn

Titel: Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn
Autoren: Colin Dexter
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sah, wie Roope mit dem Scheich sprach, und las einen Namen falsch von seinen Lippen ab. Im Lippenlese-Unterricht habe ich gelernt, daß Schwerhörige die größten Schwierigkeiten haben, zwischen den Konsonanten P, B und M zu unterscheiden, und bei den Namen Bartlett und Martin gibt es kaum Unterschiede in der Lippenstellung. B und M sind völlig identisch, und der zweite Teil des Namens verschwindet irgendwo in der Mundhöhle. Aber das ist nicht alles. Es hieß Do k tor Bartlett und Donald Martin. Versuchen wir’s mal. Kaum ein Unterschied, nicht? Wenn man die beiden Namen nebeneinanderstellt, ist es durchaus verständlich, wenn ein schwerhöriger sie verwechselt. Roope hätte den Geschäftsführer nie Tom genannt, so gut, daß sie sich mit Vornamen angeredet hätten, standen sie nicht zueinander, er hätte Bartlett oder Dr. Bartlett gesagt. Und der Scheich hätte ihm bestimmt seinen vollen Titel gegönnt. Aber Martin war einer von ihnen, er gehörte zur Clique, er war Donald Martin.«
    »Bißchen gewagte Schlußfolgerung, wie?«
    »Finde ich eigentlich nicht. Es gab da ein paar Teile, die sich nicht in das Puzzle einfügen wollten, und ich hatte so das ungemütliche Gefühl, daß ich da vielleicht was in die falsche Kehle gekriegt hatte, es paßte einfach nicht zu ihm, da hatten Sie natürlich recht. Bartlett betrachtete den Verband praktisch als sein Lebenswerk, es fiel schwer, sich vorzustellen, daß er sich zu Schiebungen, ja, sogar zu einem Mord hergeben würde. Aber erst vorhin in Bartletts Büro ging mir ein Licht auf, und dann rückte automatisch alles an die richtige Stelle. Quinn glaubte entdeckt zu haben, daß Bartlett bei betrügerischen Machenschaften mitspielte, und er rief ihn an. Er rief ihn an, Lewis – obgleich es ihn, wie Sie sich vorstellen können, jedesmal große Überwindung kostete, zum Hörer zu greifen. Er rief ihn an, weil er es nicht fertigbrachte, Bartlett persönlich damit zu konfrontieren, denn er konnte sich einfach nicht vorstellen, daß Bartlett sich schuldig gemacht hatte.«
    »Hat Quinn Bartlett von seinem Verdacht Roope gegenüber erzählt?«
    »Das möchte ich annehmen. Quinn muß ein ungewöhnlich geradliniger Mensch gewesen sein, und er hat vermutlich bei Bartlett wie auch bei Roope alle Karten auf den Tisch gelegt.«
    »Und warum hat Bartlett nichts unternommen?«
    »Ich denke mir, er hat einfach geglaubt, Quinn hätte sich da irgendwie vertan. Man denke – er, Bartlett, sollte den Verband hintergangen haben? Und wenn Quinn sich in seiner Person geirrt hatte, konnte es dann nicht sein, daß auch der Verdacht gegen Loope ungerechtfertigt war?«
    Lewis schüttelte nachdenklich den Kopf. »Alles ein bißchen dünn, wenn Sie mich fragen.«
    »Für sich allein genommen schon. Aber wenden wir uns jetzt mal Monica Height zu. Wie sollen wir uns die Lügengeschichten erklären, die sie uns aufgetischt hat? Es ist jetzt durchaus verständlich, weshalb Martin, nachdem Monica ihm erzählt hatte, sie habe Bartlett aus dem Kino kommen sehen, bei dem Schwindel bereitwillig mitgemacht hat. Vielleicht ist die Sache sogar von ihm ausgegangen. Es paßte ihm natürlich sehr gut in den Kram, daß man ihn nicht mit STUDIO 2 in Verbindung brachte. Als Monica erfuhr, daß Quinn möglicherweise am gleichen Nachmittag auch in dem Kino gewesen war, begriff sie sofort, daß es schlecht für Bartlett aussah, wenn sie sagte, sie habe ihn dort gesehen. Also rückte sie noch immer mit der Wahrheit nicht heraus. Warum nicht, Lewis? Weil sie, ebenso wie Quinn, sich nicht vorstellen konnte, daß Bartlett sich schuldig gemacht hatte.«
    Lewis nickte. Allmählich hörte sich die Sache schon einleuchtender an.
    »Und dann war da Ogleby«, fuhr Morse fort. »Er hat mir am meisten zu schaffen gemacht, Lewis, und Sie haben die kritische Frage selbst gestellt. Warum hat er mir nicht gesagt, was er wußte? Ich glaube, dafür gibt es zwei mögliche Erklärungen. Erstens war Ogleby als typischer Einzelgänger durchaus nicht abgeneigt, den Fall allein anzugehen. Er wußte, daß er ohnehin nicht mehr lange zu leben hatte, und vielleicht hatte es für ihn einen besonderen Reiz, auf eigene Faust die merkwürdige Situation aufzuklären, in die er da geraten war. Daß er sich in Gefahr begab, mag ihm gleichgültig gewesen sein, er lebte sowieso gefährlich. Aber lassen wir das mal dahingestellt. Meiner Meinung nach gab es noch einen zweiten und sehr viel zwingenderen Grund für seine Handlungsweise. Er hatte Beweismaterial
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