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Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn

Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn

Titel: Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn
Autoren: Colin Dexter
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wieder zu seinen Gastgebern hinüber. Das Gespräch mit Bartlett dauerte an. Jetzt kam Ogleby dazu, dann trat Roope zu ihnen, Bartlett und Ogleby entfernten sich, dafür gesellten sich der Präsident und Voss, schließlich Monica zu ihnen. Wie hypnotisiert beobachtete Quinn die wechselnden Formationen. Er versuchte zu erfassen, worüber sie sprachen. Schuldbewußt und fasziniert zugleich beobachtete er ihre Lippen und folgte ihrem Gespräch, als stünde er direkt neben ihnen. Einige Bemerkungen, das spürte er, fielen nur im Flüsterton, aber für ihn waren die meisten Worte so deutlich zu verstehen, als riefe man sie durch ein Megaphon. Er erinnerte sich, wie er einmal (damals hatte er noch recht gut gehört) den Hörer abgenommen und unfreiwillig das Gespräch eines Mannes mit seiner Geliebten belauscht hatte, die ein heimliches Treffen verabredeten, wie er mit laszivem Kitzel ihre geplante Unzucht vorweggenommen hatte …
    Er erschrak, als Bartlett ihn jetzt ansah und, gefolgt von Scheich Ahmed, zu ihm trat.
    »Haben Sie sich gut amüsiert, alter Junge?«
    »Ja, sehr. Ich – ich wollte mich nur noch bei Ihnen beiden bedanken …«
    »Es war uns ein großes Vergnügen, Mi-ister Qui-in.« Ahmed lächelte weißgolden und streckte die Hand aus. »Wir hoffen, Sie recht bald wiederzusehen.«
    Quinn trat auf die St. Giles hinaus. Er hatte nicht bemerkt, wie scharf er in den letzten Minuten von einem der letzten Gäste beobachtet worden war, und war deshalb sehr überrascht, als er eine Hand auf seiner Schulter spürte. Er wandte sich zu dem Mann um, der ihm zu seinem Wagen gefolgt war.
    »Auf ein Wort, Quinn«, sagte Philip Ogleby.
     
    Am nächsten Tag um halb eins sah Quinn von der Arbeit hoch, mit der er sich den Vormittag über redlich, aber ziemlich vergeblich herumgeschlagen hatte. Er hatte das Klopfen nicht gehört, aber die Tür stand offen, und in der Tür stand Monica.
    »Wenn du magst, darfst du mich auf einen Drink einladen, Nicholas.«
     

4
     
    Am Freitag, dem 21. November, bestieg ein etwa dreißigjähriger Mann in Paddington den Zug nach Oxford. Er fand ohne große Mühe ein leeres Abteil Erster Klasse, setzte sich behaglich zurecht und zündete sich eine Zigarette an. Seiner Aktentasche entnahm er einen an ihn gerichteten ziemlich dicken Umschlag (»Wenn unzustellbar, bitte an den Verband für Auslandsprüfungen zurück!«) und holte mehrere umfangreiche Berichte heraus. Er angelte einen Kugelschreiber aus der Brusttasche und begann sich sporadische Notizen zu machen. Da er Linkshänder war und die engbeschriebenen Blätter nur einen schmalen, überdies noch rechts angeordneten Rand hatten, war das ein recht mühsames Geschäft, besonders nachdem der Intercity in den nördlichen Vororten volle Fahrt machte. Der Regen schlug in schrägen Streifen an die schmutzigen Scheiben, immer schneller haschten die Telegrafenstangen nach den Drähten, während er abwesend auf die kahle Herbstlandschaft hinausblickte. Auch als er sich mit einem energischen Ruck wieder den lästigen Unterlagen zuwandte, fiel ihm die Konzentration schwer. Kurz vor Reading ging er in den Speisewagen und trank einen Scotch, dann einen zweiten. Danach fühlte er sich besser.
    Um vier steckte er die Papiere wieder in den Umschlag, strich seinen Namen, C. A. Roope, aus und schrieb auf den Umschlag: T. G. Bartlett. Bartlett war ihm menschlich unsympathisch (was er auch nicht verhehlen konnte), aber er war ehrlich genug, um seine Erfahrung und seine sichere Hand in Verwaltungsangelegenheiten zu respektieren. Roope hatte versprochen, heute nachmittag die Unterlagen bei der Geschäftsstelle abzugeben. Bartlett würde nie das Protokoll einer Vorstandssitzung herausgehen lassen, ehe der Entwurf allen Teilnehmern vorgelegen hatte. Und Roope mußte zugeben, daß sich diese Pedanterie in vielen Fällen durchaus bewährt hatte. Für heute war die lästige Aufgabe jedenfalls bewältigt. Roope ließ die Aktentasche zuschnappen und sah wieder hinaus in den Regen. Die Fahrt war schneller gegangen, als er zu hoffen gewagt hatte, und wenig später tauchten zu seiner Rechten hinter den Regenschleiern die grauen Türme Oxfords auf, und der Zug fuhr in den Bahnhof ein.
    Roope ging durch die Unterführung, stellte sich geduldig an der Sperre an und überlegte kurz, ob er sich überhaupt die Mühe machen sollte. Dabei wußte er, daß er für sich die Frage schon entschieden hatte. Er nahm die Rückfahrkarte Zweiter Klasse aus der Brieftasche und reichte sie
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