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Die Schwarzen Roben

Die Schwarzen Roben

Titel: Die Schwarzen Roben
Autoren: Raymond E. Feist
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Träume – und er war der zukünftige Wächter ihrer Ahnen gewesen, Garant für den Weiterbestand des Namens der Acoma.
    Ihre Selbstgefälligkeit hatte ihn getötet.
    Mara verkrampfte ihre Finger so sehr in ihrem Schoß, daß sie weiß wurden. Niemals hätte sie sich in dem Glauben wiegen dürfen, daß ihre Feinde sie nicht treffen konnten. Die Schuld, die sie mit ihrer nachlassenden Wachsamkeit auf sich geladen hatte, würde sie den Rest ihrer Tage verfolgen. Doch wie trostlos jede Betrachtung eines weiteren Morgens geworden war! Neben ihr lag ein Tablett mit den Resten einer Mahlzeit, die sie kaum angerührt hatte; das Essen hatte keinen Geschmack, an den sie sich hätte erinnern können. Hokanus Fürsorge hatte sie nicht getröstet; sie kannte ihn zu gut, und der Widerhall ihres eigenen Schmerzes und ihrer eigenen Wut, den sie hinter seinen Worten spürte, zogen sie nur noch tiefer in Selbstvorwürfe.
    Nur der Junge machte ihr keinen Vorwurf wegen ihrer Dummheit. Ayaki war jenseits jeden Gefühls, jenseits jeder Trauer oder Freude.
    Mara unterdrückte einen Anfall von Trauer. Wie sehr sie sich wünschte, der Pfeil hätte sie getroffen, und die Dunkelheit, die alles Streben beendete, würde ihr gelten, nicht ihrem Sohn. Daß sie noch ein anderes, lebendes Kind hatte, linderte ihre Verzweiflung nicht. Denn obwohl er älter gewesen war, hatte Ayaki weniger von der Fülle des Lebens kennengelernt. Er war von Buntokapi von den Anasati, dessen Familie ein Feind der Acoma gewesen war, gezeugt worden, aus einer Verbindung heraus, die Mara viel Schmerz und wenig Glück gebracht hatte. Politische Zweckdienlichkeit hatte sie zu Täuschungen und Betrug verleitet, zu Handlungen, die ihr aus heutiger reiferer Sicht als nichts anderes als Mord erschienen. Ayaki war ihre Sühne für den unnötigen Selbstmord seines Vaters, den Maras Machenschaften herbeigeführt hatten. Obwohl sie nach den Lehrsätzen des Spiels des Rates einen wirkungsvollen Sieg errungen hatte, wertete sie Buntokapis Tod im stillen als Niederlage. Es machte für sie keinen Unterschied, daß seine Familie ihn vernachlässigt und erst dadurch zu einem für sie leicht nutzbaren Werkzeug gemacht hatte. Ayaki war eine Möglichkeit gewesen, dem Schatten ihres ersten Ehemannes dauerhafte Ehre zu erweisen. Sie war fest entschlossen gewesen, seinen Sohn zu der Größe zu erziehen, die Buntokapi vorenthalten worden war.
    Doch jetzt hatte diese Hoffnung ein Ende gefunden. Lord Jiro von den Anasati war Buntokapis Bruder, und die Tatsache, daß diese Intrige gegen sie fehlgeschlagen war und zum Tod seines Neffen geführt hatte, verlagerte das politische Gleichgewicht erneut. Denn ohne Ayaki stand es den Anasati frei, die Feindschaft wieder aufleben zu lassen, die seit der Zeit ihres Vaters geruht hatte.
    Ayaki war mit den besten Lehrern großgeworden, mit der ganzen Wachsamkeit ihrer Soldaten zu seinem Schutz; und doch hatte er für die Privilegien seines Rangs bezahlen müssen. Im Alter von neun Jahren hätte er beinahe durch das Messer eines Attentäters sein Leben verloren. Zwei Ammen und eine geliebte, alte Dienerin waren vor seinen Augen ermordet worden, eine Erfahrung, die ihm lange Alpträume beschert hatte. Mara widerstand dem Drang, tröstend seine Hand zu reiben. Die Haut war kalt, und seine Augen würden sich niemals mehr voller Freude und Vertrauen öffnen.
    Mara mußte nicht gegen Tränen ankämpfen; Wut über die Ungerechtigkeit unterdrückte ihre Trauer. Die persönlichen Dämonen, die das Wesen seines Vaters verdreht und ihm eine gewisse Grausamkeit verliehen hatten, hatten bei Ayaki eine Tendenz zur Melancholie und zum Brüten hervorgebracht. Erst in den vergangenen drei Jahren, seit Maras Hochzeit mit Hokanu, war die sonnigere Seite des Jungen stärker um Vorschein gekommen.
    Die Festung der Minwanabi, wie Ayaki immer gerne aufgezeigt hatte, war niemals erstürmt worden; die Verteidigungsanlagen waren für jeden Feind uneinnehmbar. Darüber hinaus war Mara eine Gute Dienerin des Kaiserreichs. Der Titel trug die Gunst der Götter in sich und genug Glück, um Unheil abzuwenden.
    Jetzt haderte Mara mit sich, weil sie sich von seinem kindischen, blinden Glauben hatte anstecken lassen. Sie hatte Traditionen und Aberglauben oft genug zu ihrem Vorteil genutzt. Sie war eine eitle Närrin gewesen, daß sie nicht gesehen hatte, wie dieselben Dinge auch gegen sie arbeiten konnten.
    Es kam ihr wie eine große Ungerechtigkeit vor, daß nicht sie, sonder ihr Kind
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