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Die Schwarzen Roben

Die Schwarzen Roben

Titel: Die Schwarzen Roben
Autoren: Raymond E. Feist
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dafür hatte bezahlen müssen.
    Sein kleiner Halbbruder Justin hatte geholfen, Ayakis trostlose Stimmungen aufzuheitern. Ihr zweiter Sohn war das Kind des barbarischen Sklaven, den sie noch immer liebte. Sie mußte ihre Augen nur einen kurzen Augenblick schließen, und schon sah sie Kevins Gesicht vor sich – wie fast immer lächelte er über irgendeinen dummen Witz, und seine roten Haare und sein Bart glänzten kupfern in der Sonne Kelewans. Mit ihm hatte sie kein harmonisches Verhältnis verbunden, wie sie es jetzt zu Hokanu besaß. Nein, Kevin war stürmisch gewesen, impulsiv, beizeiten leidenschaftlich unlogisch. Er hätte seine Trauer nicht vor ihr verborgen, sondern seinen Gefühlen stürmisch freien Lauf gelassen; in seiner intensiven Lust zu leben hätte sie vielleicht die Kraft gefunden, mit dieser Greueltat fertig zu werden. Der kleine Justin hatte das sorglose Wesen seines Vaters geerbt. Er lachte häufig, stellte dauernd etwas an und bewies bereits jetzt eine schnelle Zunge. Wie sein Vater hatte auch Justin das Talent gehabt, Ayaki aus seinen Grübeleien herauszureißen. Er rannte dann auf seinen pummeligen Beinen, stolperte und kippte vor Lachen um, oder er schnitt so lange Grimassen, bis es unmöglich war, neben ihm zu stehen und sich ihm nicht zuzuwenden.
    Doch Ayaki würde niemals mehr gemeinsam mit seinem kleinen Bruder in fröhliches Gelächter ausbrechen.
    Mara zitterte, und erst jetzt bemerkte sie die Gegenwart einer anderen Person. Hokanu war so unheimlich leise ins Zimmer gekommen, wie er es von den Förstern in der barbarischen Welt gelernt hatte.
    Als er sah, daß sie ihn bemerkt hatte, nahm er ihre kalten Finger in seine warme Hand. »Mylady, Mitternacht ist vorüber. Es würde dir guttun, ein wenig zu ruhen.«
    Mara wandte sich ein Stück von der Bahre ab. Ihre dunklen Augen hefteten sich auf Hokanu, und das Mitgefühl in seinem Blick brachte sie zum Weinen. Sein gutaussehendes Gesicht verschwamm vor ihr, und er verlagerte seinen Griff etwas, zog ihren Körper gegen seine Schulter. Genau wie sein Vater war er nicht übermäßig muskulös, aber kräftig. Und wenn er auch nicht die wilde Leidenschaft in ihr entfachte wie Kevin, so verband ihn mit Mara doch ein tiefes Verständnis. Er war ihr ein Ehemann, wie Ayakis Vater es niemals gewesen war, und seine Gegenwart, als der Kummer ihre Haltung zusammenbrechen ließ, war alles, was sie davor bewahrte, verrückt zu werden. Die Berührung, die versuchte, ihren Schmerz zu lindern, stammte von einem Mann, der durchaus in der Lage war, auf dem Schlachtfeld zu bestehen. Er zog wie sie selbst den Frieden vor, doch wenn es notwendig sein sollte, das Schwert zu gebrauchen, dann besaß er den Mut der Tiger, die die Welt auf der anderen Seite des Spalts bewohnten.
    Jetzt würden die Acoma diese Fähigkeiten im Kampf benötigen.
    Als Mara die Tränen über die Wangen rannen, schmeckte sie grenzenlose Bitterkeit. Die Schuld in ihrem Innern hatte einen Namen, den sie als Sündenbock mißbrauchen konnte: Jiro von den Anasati hatte ihren Sohn ermordet, und dafür würde sie sein Haus vernichten, es für alle Zeit aus der Erinnerung der Lebenden tilgen.
    Als hätte Hokanu ihre Gedanken gespürt, schüttelte er sie sanft. »Mylady, du wirst gebraucht. Justin schreit die ganze Zeit während des Essens und will wissen, was mit seiner Mama geschehen ist. Keyoke fragt jede Stunde nach neuen Anweisungen, und Lujan muß wissen, wie viele Kompanien er von der Garnisons-Pflicht auf dem Landgut bei Sulan-Qu entbinden und hierherkommen lassen soll.«
    In seiner unnachahmlich feinfühligen Weise diskutierte Hokanu nicht mit ihr über die Notwendigkeit eines Krieges. Das erleichterte sie ein wenig. Hätte er Fragen gestellt, hätte er versucht, sie davon abzubringen, sich aufgrund einer wenig beweiskräftigen Muschelmarke an Jiro zu rächen, sie hätte sich voller Wut gegen ihn gewandt. Wer in diesem Augenblick nicht für sie war, war gegen sie. Den Acoma war ein Schlag versetzt worden, und die Ehre verlangte nach Taten.
    Doch der Anblick ihres ermordeten Sohnes schwächte ihren Willen; jeder Lebensmut in ihr versiegte.
    »Lady?« drängte Hokanu. »Es ist notwendig für den Weiterbestand deines Hauses, daß du Entscheidungen triffst. Denn jetzt bist du Acoma.«
    Nachdenklich runzelte Mara die Stirn. Die Worte ihres Mannes waren wahr. Bei ihrer Heirat hatten sie sich darauf geeinigt, daß Justin nach Hokanu Erbe der Shinzawai werden würde. Jetzt stieg in Mara plötzlich
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