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Die Schwarzen Roben

Die Schwarzen Roben

Titel: Die Schwarzen Roben
Autoren: Raymond E. Feist
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der heiße Wunsch auf, diese Worte wären unausgesprochen geblieben. Niemals hätte sie sich damit einverstanden erklärt, wenn sie Ayakis Sterblichkeit bedacht hätte.
    Der Kreis schloß sich wieder. Sie war nachlässig gewesen. Hätte sie sich nicht dieser gefährlichen Selbstzufriedenheit hingegeben, würde ihr schwarzhaariger Sohn jetzt nicht in offiziellen Gewändern von Lampen umgeben auf der Bahre liegen. Er würde umherrennen, wie ein Junge es tun sollte, oder sich in den Fähigkeiten eines Kriegers üben oder mit seinem großen, schwarzen Wallach schnell wie der Wind über die Hügel jagen.
    Wieder sah Mara vor ihrem geistigen Auge den Bogen, als das gewaltige Tier sich aufbäumte, sah die schrecklichen, um sich stoßenden Hufe, als es stürzte …
    »Lady«, schalt Hokanu sanft. Zärtlich öffnete er ihre verkrampften Finger und bemühte sich, ihr etwas von der Spannung zu nehmen. »Es ist vorbei. Wir müssen fortfahren, uns um die Lebenden zu kümmern.« Er wischte ihre Tränen weg, doch immer neue quollen zwischen den Lidern hervor. »Mara, die Götter waren grausam. Doch meine Liebe für dich ist unendlich, und der Glaube deines Haushalts an deine Kraft leuchtet wie eine Lampe in der Dunkelheit. Ayaki hat nicht umsonst gelebt. Er war mutig und stark, und er scheute nicht vor seiner Verantwortung zurück, nicht einmal im Augenblick seines Todes. Wir müssen genauso sein, oder der Pfeil, der das Pferd niederstreckte, hat mehr als nur einen tödlichen Treffer erzielt.«
    Mara schloß die Augen und versuchte, den nach wohlriechendem Öl duftenden Rauch der Lampen zu ignorieren. Sie mußte nicht daran erinnert werden, daß das Leben Tausender von Menschen von ihr, der Herrscherin, abhing; heute hatte sie für den Beweis gezahlt, daß sie ihr Vertrauen nicht verdiente. Sie war nicht länger die Herrscherin für ihren heranwachsenden Sohn. Es schien keine Kraft, kein Mut mehr in ihr zu sein, und doch mußte sie sich auf einen großen Krieg vorbereiten und Vergeltung üben, um die Ehre ihrer Familie zu bewahren, und dann brauchte sie einen neuen Erben.
    Doch die Hoffnung, die Zukunft, die Begeisterung und die Träume, für die sie so lange so viel geopfert hatte, waren alle zu Staub zerfallen. Sie fühlte sich wie betäubt, bestraft jenseits aller Maßen.
    »Mylord, mein lieber Mann«, sagte sie mit rauher Stimme. »Kümmere du dich um meine Berater und laß sie tun, was du für richtig hältst. Ich habe nicht die Kraft, Entscheidungen zu fällen, und doch müssen die Acoma sich auf einen Krieg vorbereiten.«
    Hokanu sah sie mit schmerzerfülltem Blick an. Seit langem schon bewunderte er ihren unbeugsamen Geist, und es quälte ihn zu sehen, daß ihre Kühnheit so durch Trauer zunichte gemacht wurde. Er wußte um ihren tiefen Schmerz und preßte sie fest an sich. »Lady«, flüsterte er leise, »ich werde dir ersparen, was ich kann. Wenn du gegen Jiro von den Anasati marschieren willst, werde ich mich an die rechte Seite deines Kommandeurs stellen. Doch früher oder später mußt du die Führung deines Hauses wieder übernehmen. Der Name der Acoma unterliegt deiner Obhut. Ayakis Tod darf nicht Zeichen für das Ende sein, sondern muß die Erneuerung deines Geschlechtes bedeuten.«
    Unfähig, etwas zu sagen oder auch nur einen vernünftigen Gedanken zu fassen, ließ Mara ihr Gesicht gegen die Schulter ihres Mannes sinken, und eine lange, lange Zeit sickerten ihre Tränen geräuschlos in die kostbare blaue Seide seines Umhangs.

Zwei
    Konfrontation

    Jiro runzelte die Stirn.
    Obwohl die schlichte Robe, die er trug, leicht war und der Portikus um den an seine Bibliothek angrenzenden Hof zu dieser frühen Stunde noch kühl, bildeten sich feine Schweißperlen auf seiner Stirn. Ein Tablett mit halb aufgegessenen Speisen stand unbeachtet neben ihm, während er mit angespannten Fingern auf die bestickten Kissen klopfte, auf denen er saß; seine Augen studierten unbewegt das Brettspiel vor seinen Knien. Eingehend betrachtete er die Position jeder einzelnen Figur und versuchte vorauszusehen, welche Entwicklung jeder Zug nach sich ziehen würde. Eine falsche Entscheidung würde sich nicht unbedingt sofort als solche zeigen, doch bei seinem heutigen Gegenspieler war die Gefahr groß, daß sie sich einige Züge später vernichtend auswirkte. Die Gelehrten behaupteten, das Shah-Spiel würde den Instinkt eines Mannes für Schlachten und Politik schärfen, und Jiro, Lord der Anasati, genoß geistige Herausforderungen mehr als
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