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Die Schwarze Keltin

Die Schwarze Keltin

Titel: Die Schwarze Keltin
Autoren: Ellis Peters
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Täuschung gewesen. Jetzt sah sie aus wie jemand, der sich allem um sich herum heiter verbunden fühlt, eine alte Vertraute des Himmels und der See. Die Sonne im Westen näherte sich dem Ende ihres Bogens und tauchte Gesicht und Körper des Mädchens in eine goldene Hülle.
    Wendig und dunkel glitt plötzlich das kleine Boot von Norden heran, es schoß aus der Deckung der aufsteigenden Küstenlinie jenseits der sandigen Fahrrinne durch die Meerenge hervor. Irgendwo landaufwärts hatte es vor Anglesey gelegen und auf den Untergang der Sonne gewartet. Es hatte keine Übereinkunft gegeben, dachte Cadfael, keinerlei mündliche Verabredung. Sie hatten keine Zeit gehabt, auch nur ein einziges Wort zu wechseln, als sie entführt worden war.
    Ihrer beider innere Sicherheit allein hatte sie darauf vertrauen lassen, daß das Schiff kommen würde und daß sie da sein würde, um auf ihn zu warten. Einer war des anderen mit allen Fasern seines Seins sicher gewesen. Heledd war noch kaum wieder zu Atem gekommen und hatte die Tatsache, unschuldig entführt worden zu sein, hingenommen, da hatte sie sich auch schon mit dem Geschehenen abgefunden, denn sie zweifelte nicht, daß alles ein gutes Ende nehmen mußte und würde.
    Warum sonst hätte sie die Wartezeit so heiter hinter sich gebracht und jedes Mißtrauen zerstreut, ja, wer weiß mit wieviel Überwindung, vielleicht sogar Ieuan ab Ifor ein kurzes Vergnügen gegönnt, das er später mit lebenslangem Verlust würde bezahlen müssen. Am Ende wußte die Tochter des Kanonikers Meirion genau, was sie wollte, und ging rücksichtslos darauf zu, wo schon keiner der Mannsleute um sie herum oder unter ihren Herren irgendwelche Anstalten machte, ihr zu dem zu verhelfen, wonach ihr der Sinn stand.
    Schmal, beweglich und ungeheuer flink glitt Turcaills Drachenschiff mit gleichmäßig geführten Rudern auf die Küste zu, hütete sich aber wohl, auf Grund zu laufen. Dann schleiften die Ruder im Wasser, das Boot lag einen Moment lang still wie ein abflugbereiter Vogel, und Turcaill schwang sich über die Seite und kam hüfttief im Wasser watend auf die kleine Felseninsel zu. Und als Cadfael und Mark den Blick wieder auf Heledd richteten, hatte sie sich erhoben und war ins Meer gestiegen. Der Sog der ausgehenden Strömung zog sie mit sich. Ihre Röcke trieben neben ihr her. Naß glitzernd kam Turcaill aus den tieferen Gewässern. Sie trafen sich auf halbem Wege, und sie marschierte ihm direkt in die Arme und wurde im gleichen Moment hoch an sein Herz gerissen. Es folgte kein großes Schauspiel, nur der ferne Klang ihres einmütigen Lachens drang durch die Luft zu den beiden Beobachtern herüber. Mehr war nicht nötig. Keines der beiden Meereswesen da unten hatte je an diesem glücklichen Ausgang gezweifelt.
    Turcaill hatte ihnen nun den Rücken zugekehrt und strebte, mit Heledd in seinen Armen, mächtigen Schrittes wieder zu seinem Schiff zurück. Leicht hob er das Mädchen über die niedrige Reling des Drachenbootes und schwang sich selber hinterher. Sie drehte sich, kaum daß sie wieder auf eigenen Füßen stand, zu ihm um und umarmte ihn. Sie hörten ihr hohes, wildes und süßes Lachen. Über die Entfernung klang es dünner als der Ruf eines Vogels und doch durchdringend und klar wie Glockengeläut.
    Die lange Reihe von Rudern hob sich in die Luft, verharrte und senkte sich in einer gleichzeitigen Bewegung ins Wasser.
    Das schlanke Schiff neigte sich zur Seite und glitt, Gischt aufschäumend, im Bogen über die sandigen Untiefen, die sich schon hier und da als goldene Teppiche unter dem Blau abzeichneten, für dieses schnelle Gefährt aber noch immer tief genug waren, ins freie Wasser. Es entfernte sich mit dem Heck voran und wurde klein und immer kleiner, wie ein Blatt, das von einer heftigen Strömung davongetragen wird, weit weg nach Irland, dem Dublin der Wikingerkönige und der rastlosen Seefahrer entgegen. Es war eine passende Gefährtin, die Turcaill da mit sich fortführte. Die zahlreichen Nachfahren dieser beiden würden über Generationen hinaus diese unruhige See zu bändigen wissen.
    Kanonikus Meirion brauchte sich keine Sorgen zu machen, daß seine Tochter je wieder in Erscheinung treten und seine Stellung beim Bischof, seinen Ruf oder sein Fortkommen gefährden würde. Vielleicht liebte er sie, und wahrscheinlich wünschte er ihr nur das Beste, ganz bestimmt aber hatte er sich inständig danach gesehnt, daß sie sich ihres Glückes fern von ihm erfreute, aus den Augen, wenn
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