Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die schwarze Hand des Todes

Titel: Die schwarze Hand des Todes
Autoren: Stephen Booth
Vom Netzwerk:
Weston nicht mehr.
     
    Mark kannte das Problem. Auf den Einsatzbesprechungen der Ranger hatte er schon davon gehört, dass so etwas vorkam. Aber es war so sinnlos, ein Mietrad nicht zurückzugeben. Sinnlos und idiotisch. Die Kunden mussten sich schließlich ausweisen, bevor sie ein Mountainbike ausgehändigt bekamen. Sie mussten Namen und Adresse angeben und 20 Pfund als Sicherheit hinterlegen, so dass es sich kaum lohnte, ein Rad mitgehen zu lassen. Man wurde ja doch gleich gefunden. Aber hin und wieder passierte es trotzdem. Manchmal stand ein verlassenes Rad einfach am Wegrand oder auf einem Parkplatz. Oder es lag – wie dieses Kokomo – in der Landschaft herum. Mark verstand es einfach nicht.
    Beim Anblick des Mountainbikes unter dem Ginsterbusch wurde er fuchsteufelswild. Er empfand es als Entweihung seiner Welt durch die Rücksichtslosigkeit der Menschen. Als ob sich kleine Kinder mit schmutzigen Pfoten an seinen wertvollsten Schätzen zu schaffen gemacht hätten. Einfach weggeworfen hatte man das Rad, als ob es als Müll wäre.
    Dann sah Mark genauer hin. Auf der kanariengelben Lenkstange zeichnete sich ein roter Streifen ab, an den Speichen klebten rostfarbene Flecken. Ihn überkam eine böse Vorahnung, und er tastete nach seinem Funkgerät. Wenn er doch bloß nicht alleine losgezogen wäre. Er hatte keinen Partner an seiner Seite, keinen Owen, der genau gewusst hätte, was zu tun war.
    Hastig riss er sein Notizbuch heraus und schrieb mit zitternder Hand Farbe, Modell und Nummer des Fahrrads auf. Sofort ging es ihm besser. Es war, als ob durch die Magie der niedergeschriebenen Notizen eine vertraute Stimme ihn ermahnte: »Beobachten, notieren, berichten.«
    »Ja, Owen«, flüsterte Mark.
    Er spürte, wie der Schweiß auf seiner Stirn und im Nacken trocknete, und zwang sich, an dem Rad vorbeizugehen, bis zu der Stelle, wo die Steine zwischen den dürren Birken im Kreis standen. Jemand hatte hier vor kurzem ein Feuer gemacht, auf der verkohlten Erde lag ein weißes Häufchen Asche. Immer zündeten die Menschen bei den Jungfrauen Feuer an, als ob sie glaubten, mit den Flammen deren steinerne Herzen zum Schmelzen bringen zu können. Zur Sommersonnenwende versammelten sich hier oben hunderte von Leuten, die sich bei weitem nicht damit begnügten, ein Feuerchen zu machen.
    Als sein Blick in den Steinkreis fiel, blieb Mark wie angewurzelt stehen. Es war ein Gefühl wie die Schrecken des Erwachsenwerdens, der gleiche Ekel, die gleichen Schuldgefühle. Er versuchte sich zu konzentrieren, indem er den Boden nach Reifen- und Fußspuren absuchte oder nach irgendwelchen belastenden Gegenständen, die womöglich jemand verloren hatte. Ich beobachte, ermahnte er sich. Ich muss beobachten. Ich muss professionell, ruhig und gelassen bleiben, ich darf nicht durchdrehen.
    Aber es gelang ihm nicht wirklich, sich selbst etwas vorzumachen. Er konnte sich nicht auf das Umfeld konzentrieren. Ob er es wollte oder nicht, sein Blick wurde immer wieder von der Mitte des Steinkreises angezogen, wo die weiße Gestalt lag, in ihrer grotesk aufreizenden Pose.
    »O Gott.«
    Die halb nackte Tote räkelte sich obszön zwischen den Steinen im struppigen Gras, die Glieder provokant arrangiert. Das rechte Knie war bis zur Taille angewinkelt, das linke Bein abgespreizt, als ob sie jeden Augenblick in die Höhe springen wollte.
    Mark konnte ihre Beinmuskeln in allen Details sehen, die steifen Sehnen unter der Haut am Oberschenkel, die leichte Orangenhaut an den Hüften. Das Bild, das sie bot, war eine Karikatur des Lebens selbst, eine grausame Parodie von Leichtigkeit und Lebensfreude. Die Hände waren abknickt, die Zehen durchgedrückt, der Kopf schien im Takt einer lautlosen Musik zu nicken. Wie in einer Pirouette des Todes gefangen, lag sie da, wie in der letzten Drehung eines Tangos erstarrt.
    Mark überlegte, ob er diesen Gedanken aufschreiben sollte. Aber es klang zu abstrus. Außerdem konnte er kaum noch den Stift halten. So sagte er es sich nur im Stillen vor, immer und immer wieder. Eine tanzende Tote. Sie sah wie eine tanzende Tote aus.

2
    Fünfzehn Meilen weiter nördlich in Edendale tobte die Schlacht nun schon seit einer Stunde und fünfzehn Minuten. Die Polizisten in der vordersten Reihe sahen schlimm aus, und sie keuchten vor Anstrengung. Schweißnass klebten ihnen die Haare in der Stirn. Ein paar hatten zerfetzte Hemden. Einer blutete aus einer Platzwunde am Auge.
    Constable Ben Cooper erspähte seinen Kollegen Todd Weenink
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher