Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schule der Robinsons

Die Schule der Robinsons

Titel: Die Schule der Robinsons
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
zweimal wagten Carefinotu und er sich bis zur Mitte der Umzäunung vor. Sie wollten sich überzeugen, ob die Thür der Holzschanze inwendig ordentlich befestigt war.
    Plötzlich wälzte sich eine Lawine von Thieren lärmend nach dem Will-Tree zurück.
    Noch war es nur die Herde der Ziegen, Schafe und Agutis. Als sie das Geheul der Raubthiere gehört und deren Annäherung empfunden, waren die Thiere entsetzt von der Weide entflohen und suchten nun Schutz hinter der Palissade.
    »Wir müssen ihnen öffnen!« rief Godfrey.
    Carefinotu bewegte den Kopf von oben nach unten. Er hatte nicht nöthig, dieselbe Sprache zu sprechen wie Godfrey, um diesen zu verstehen.
    Die Thür ward aufgerissen, und die Herde stürzte sich Hals über Kopf in die Umzäunung.
    In demselben Moment aber wurde durch die freie Oeffnung in derselben ein eigenthümliches Leuchten von Augen sichtbar, trotz der Dunkelheit, welche die Kronen der Sequoias noch tiefer machten.
    Es war keine Zeit mehr, das Thor wieder zu schließen.
    Sich auf Godfrey werfen, diesen wider seinen Willen fortzerren und ihn in die Wohnung drängen, deren Thür er eiligst zuschlug, das vollbrachte Carefinotu Alles während der Dauer eines Blitzes.
    Erneutes Brüllen zeigte an, daß drei oder vier Raubthiere durch die Palissade hereingekommen waren.
    Zu diesem entsetzlichen Gebrüll mischte sich bald ein Durcheinander von Blöken und Grunzen; die hier wie in einer Falle gefangene Heerde der Hausthiere war den Tatzen der Angreifer preisgegeben.
    Godfrey und Carefinotu bemühten sich zu erkennen, was draußen im Finstern vorging. – Offenbar hatten sich die Bestien – Tiger oder Löwen, Panther oder Hyänen, das konnte man nicht unterscheiden – auf die Heerde geworfen und begannen diese zu zerfleischen.
    Da ergriff Tartelett in blinder Angst und unsinnigem Entsetzen eine der Flinten und wollte durch die eine Fensteröffnung auf gut Glück Feuer geben.
    Godfrey hielt ihn zurück.
    »Nein, sagte er. Inmitten dieser Dunkelheit ist fast als gewiß anzunehmen, daß jeder Schuß verloren wäre. Wir dürfen unsere Munition nicht unnütz vergeuden. Warten wir den Tag ab!«
    Er hatte sicherlich Recht. Die Kugeln würden ebenso die Hausthiere, wie die wilden Eindringlinge getroffen haben, ja noch weit eher jene, da sie die weit größere Zahl bildeten. Sie zu retten war ja überhaupt unmöglich. Opferte man sie auf, so verließen vielleicht die gesättigten Raubthiere die Umzäunung noch vor Aufgang der Sonne, dann würde man zusehen, was zu thun sei, um sich gegen einen wiederholten Angriff zu sichern.
    Es empfahl sich wohl auch bei der finsteren Nacht, so gut es anging, den Raubthieren die Anwesenheit von Menschen, welche sie wohl den Thieren vorgezogen hätten, nicht bemerkbar zu machen. Damit wurde vielleicht ein unmittelbarer Angriff gegen den Will-Tree vermieden.
    Da Tartelett gar nicht im Stande war, weder eine solche vernünftige Vorstellung, noch auch irgend eine andere zu begreifen, so begnügte sich Godfrey, ihm die Waffe zu entreißen. Der Professor warf sich darauf auf sein Lager, schimpfte und fluchte auf alle Reisen, auf die Reisenden, auf Tollköpfe, welche nicht ruhig am häuslichen Herde bleiben können.
    Seine beiden Gefährten waren zur Beobachtung an der Fensteröffnung zurückgeblieben. Dort wohnten sie, ohne etwas dagegen thun zu können, dem furchtbaren Gemetzel bei, das im Finstern vor sich ging. Das Geschrei der Schafe und Ziegen ward allmählich matter, ob sie nun schon alle erwürgt waren oder ein Theil derselben wieder nach außen geflüchtet war, wo sie ein ebenso gewisser Tod erwartete. Jedenfalls erlitt die kleine Ansiedlung damit einen unersetzlichen Verlust; Godfrey hatte jetzt aber keine Zeit an die Zukunft zu denken, die Gegenwart gestaltete sich schon bedrohlich genug, um alle seine Gedanken in Anspruch zu nehmen.
    Es war eben nichts zu thun, nichts zu versuchen, dieses Vernichtungswerk aufzuhalten.
    Es mochte gegen elf Uhr Abends sein, als das Wuthgebrüll einen Augenblick aufhörte.
    Godfrey und Carefinotu lauschten noch immer; es schien ihnen, als sähen sie jetzt eine große Menge von Thieren innerhalb der Umzäunung, während von draußen noch weitere Tritte von Thieren hörbar wurden.
    Offenbar noch zurückgebliebene Bestien wurden herbeigelockt durch den Blutgeruch, der die Luft erfüllte und als eigenthümliche Ausdünstung sich im Will-Tree verbreitete. Sie liefen hin und her und wandten sich zuweilen mit wüthendem Grollen gegen den Baum.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher