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Die Schreckenskammer

Titel: Die Schreckenskammer
Autoren: Ann Benson
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hatte. Ich blieb stumm, obwohl es mich zu sprechen drängte. Dann tat er genau das, was zu erwarten war, er riet ihr, zum Magistrat zu gehen.
    An der Tür drehte sie sich noch einmal um und sagte: »Andere Kinder sind ebenfalls verschwunden, und man hat auf die Anzeigen der Eltern hin nichts unternommen.«
    Sie essen dort kleine Kinder, hatte mein Sohn Jean geschrieben.
    Danach schwiegen der Bischof und ich einige Augenblicke.
    Schließlich nahm ich meinen Mut zusammen und öffnete den Mund. Doch bevor ich etwas sagen konnte, sagte er: »Es ist mir nicht entgangen, Guillemette, dass ihr offensichtlich großes Mitgefühl mit dieser Frau habt. Aber sie muss tun, was ich ihr geraten habe. Ihr solltet das besser wissen als irgendjemand sonst. Und nun lasst uns fortfahren, denn Gott ist ungeduldig.«
    Eine Gottheit lässt man nicht warten.
     
    Wieder entstand ein verwirrendes Schweigen, diesmal an Madame le Barbiers Tür. Schließlich sagte sie: »Habt Ihr eine Vollmacht, die Ihr gestern Abend noch nicht hattet?«
    »Nein, wie ich gestehen muss. Aber ich bin hier aus Mitgefühl und aus dem Wunsch heraus, Euch zu helfen.«
    »Möge Gott mir meine Dreistigkeit verzeihen, Mutter, aber Ihr hattet bereits Gelegenheit, mir zu helfen, und habt es nicht getan.«
    Ihre Worte waren barsch und ihr Gesichtsausdruck wütend, und ich hatte kaum etwas, das ich zu meiner Rechtfertigung vorbringen konnte. Auch mich ärgerte es, dass ich während ihres Besuchs stumm geblieben war.
    »Ich bin ebenso sehr eine Untergebene Seiner Eminenz wie jeder andere. Aber ich sprach zu Euren Gunsten, nachdem Ihr gegangen wart.«
    Es war nur ein schwacher Versuch, dennoch wurde ihre Miene milder, als sie es hörte. »Und hattet Ihr Erfolg?«
    »Nun ja … nicht unbedingt.«
    »Warum seid Ihr dann hier? Ihr wollt mich wohl nur weiter verhöhnen.«
    »Nein, Madame, ich schwöre, ich will Euch nicht verhöhnen. Das wäre grausam.«
    Noch immer standen wir an derselben Stelle, sie knapp innerhalb der Tür, ich im Morast davor. »Bitte«, sagte ich, »darf ich eintreten und mit Euch sprechen?«
    Eine tiefe Bitterkeit schien sie zu überkommen, sie sah mich mit harten Augen an und sagte: »Was soll das denn nützen? Ihr, eine Äbtissin, habt mir doch so gut wie gesagt, dass Ihr kaum etwas für mich tun könnt, und Ihr könnt unmöglich verstehen, wie sehr mein Herz leidet, nicht in dem Maße, um mir wahres Mitgefühl entgegenzubringen.« Sie schob die Tür zu.
    Ich drückte die Hand dagegen und hatte zu meiner Überraschung Erfolg. Meine Röcke fielen in den Schlamm.
    »Ihr irrt Euch, Madame«, sagte ich. »Ich bin hier, weil ich Euch wirklich verstehe. Und weil es Dinge gibt, die ich wissen muss.«

2
    Komisch, dass einige Wörter genau nach dem klingen, was sie bedeuten.
    Dirrrrrrgggggge.
    Die Dirge » Scotland the Brave « , eine Totenklage, wand sich samt kleinen Trommeln und Pauke durch meinen Schädel. Kopfschmerzen meldeten sich. Doch inzwischen stand unser Kollege, Detective Terry Donnolly, am blauen Tor des Polizistenhimmels, zu dem ihn der Spielmannszug an diesem seltenen grauen Tag in Los Angeles begleitet hatte. Jeder meinte, dies sei genau das richtige Wetter für ein Begräbnis. Gott sei Dank, denn Sonnenschein bei einem Begräbnis erscheint mir widersinnig.
    Die Trauergemeinde löste sich auf, und die meisten gingen auf die Masse der Einsatzwagen zu, die an den Rändern der schmalen Zufahrten zum Friedhof parkten. Benicio Escobar ging neben mir und schüttelte den Kopf. Langsam schlenderten wir an einer kleinen Gruppe hoher Tiere vorbei, die dicht beieinander standen und irgendein tiefes Geheimnis teilten, das wohl nur jene in erhöhten Positionen kannten.
    Das Einzige, was wir von ihrem Flüstern verstanden, war sich selber. Er hat sich selber zu Tode gesoffen.
    »Wie die das sagen, klingt es, als hätte er sich selber umgebracht. Das hat er nicht. Der Job hat ihn umgebracht.«
    »Ben … komm. Lass gut sein. Das ändert doch nichts mehr.«
    Die Autopsie war unverzüglich durchgeführt worden. Gewebe und Flüssigkeitsproben waren sorgfältig entnommen und katalogisiert worden, und die Ergebnisse kamen sehr schnell.
    »Mein Gott, es war ein Herzinfarkt. Das steht doch außer Frage.«
    Die Nachricht verbreitete sich schnell, als es passierte. Er wurde künstlich beatmet, bis man ihn in die Notaufnahme geschafft hatte, wo einer der Ärzte ihm sofort den Brustkorb aufschnitt.
    Sein Herz war praktisch geplatzt. Die Schädigung war massiv, und trotz
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