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Die schottische Braut

Die schottische Braut

Titel: Die schottische Braut
Autoren: Deborah Hale
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Jennys Tür zu reparieren.
    Jenny blieb den ganzen Tag in der Kabine und entschuldigte sich damit, sich von ihrem Fieberanfall erholen zu müssen. Als sie am darauf folgenden Morgen erschien, begegnete sie Harris reserviert mit der frostigen Höflichkeit für besonders verhasste Personen. Zu seiner Überraschung und Erheiterung fühlte sich Harris selbst nicht im Geringsten davon verletzt. Harris erkannte, dass eine Dame, die von einem Mann während ihrer Seekrankheit gepflegt worden war, für immer ihre Gabe verlor, diesen betreffenden Mann abzuschrecken – gleichgültig, wie begehrenswert sie aussah.
    Zum Teil konnte es auch auf Jennys eigene Unzulänglichkeit zurückzuführen sein. Vielleicht schuldete er das seiner Stellung als Beschützer. Was auch immer die Gründe waren, Jenny Lennox hatte sich kopfüber vom Podest gestürzt. Für Harris war es eine seltsame und schwindelerregende Erfahrung, mit einer Frau auf gleicher Stufe zu stehen. Vielleicht könnte er sich niemals wieder solch einer Erfahrung erfreuen, deshalb beschloss er, das Beste daraus zu machen.
    Er gab Jenny genau zwei Tage Zeit, um ihrer eigenen Gesellschaft überdrüssig zu werden. Dann begann er, sein Versöhnungsangebot zu machen.
    “Haben Sie die Absicht, weiterhin so kurz angebunden zu sein, bis wir in Miramichi sind?”, fragte er freundlich, als er sie nach dem Frühstück zurückbegleitete.
    Es schien ihr nicht leichtzufallen, eine ernste Miene zu bewahren. “Ich bin erst seit zwei Tagen kurz angebunden, doch fertigen Sie mich nicht seit Jahren kurz ab?” Sie zog die Augenbrauen hoch, und dies ließ sie bezaubernd hochmütig aussehen.
    “Nein.” Er bemühte sich, ein Lächeln zu unterdrücken. “Doch der Wunsch, Ihnen zu Diensten zu sein, und der Drang, damit zu prahlen, in Ihrer Gesellschaft die Nacht verbracht zu haben, halten sich die Waage.”
    “Sprechen Sie leise!” Jenny blickte nervös umher. Nachdem sie festgestellt hatte, dass niemand in Hörweite war, wurde ihr Ausdruck widerwillig sanfter.
    “Ich weiß, es steckt ein Körnchen Wahrheit in Ihren Äußerungen.” Sie hielt ihm die Hand hin. “Ich bin bereit, auf Ihr Versöhnungsangebot einzugehen.”
    Harris lächelte. “Abgemacht.”
    Er schüttelte ihre Hand. Sie war nicht zart, sondern rau von vielen Jahren Arbeit.
    “Es ist eine Wohltat, mit jemandem reden zu können.” Sie sah aufrichtig erleichtert aus. “Wer hätte gedacht, dass ich nach zwanzig Jahren harter Arbeit vom Morgengrauen bis zum Sonnenuntergang bereits nach zwei Tagen Müßiggang krank werde. Zeit kann einem lang werden, wenn man nichts zu tun hat.”
    “Mein Angebot, Ihnen Lesen beizubringen, gilt immer noch”, bemerkte Harris. “Ein gutes Buch ist das beste Gegenmittel bei Langeweile. Ich kann das nur empfehlen. Und während wir damit beschäftigt sind, können Sie mich lehren, charmant zu sein, damit ich fähig werde, die Damenwelt zu betören, wie Sie es versprochen haben.”
    “Dann sollten wir uns beeilen.” Ihre grauen Augen blitzten wie leuchtende Amethyste. “Wenn ich Ihnen gute Manieren beibringen soll, ehe wir in Chatham vor Anker gehen, dürfen wir keine Zeit verlieren!”

3. KAPITEL
    “Der … Zu…sta…nd …”, betonte Jenny stockend.
    “Zustand”, half Harris ihr.
    “Oh ja.” Sie runzelte die Stirn und verzog dabei konzentriert das Gesicht, als sie den Satz erneut in Angriff nahm. “Der Zustand der englischen Nation war zu dieser Zeit … aus … aus …”
    “Ausgesprochen schlecht.” Helfend vollendete Harris die letzten beiden Worte des Absatzes.
    “Es hat keinen Sinn.” Jenny seufzte gereizt auf und blies die Haarlocke, die ihr ins Gesicht hing, nach oben. “Ich werde niemals in der Lage sein, so zu lesen wie Sie, Harris. Ich fürchte, ich bin schrecklich dumm.”
    “Unsinn”, widersprach er. “Es dauerte bei mir Jahre, bis ich so lesen konnte wie Sie nach nur zwei Wochen. Sie sind sehr klug, Jenny.”
    Das Kompliment freute sie mehr, als sie zuzugeben wagte. Sie wischte es indes mit einer verächtlichen Handbewegung hinweg. “Das sagen Sie doch bloß!”
    Jenny und Harris hatten sich wie üblich auf die flache Treppe, die zum Achterdeck führte, gesetzt. Diese selten benutzte Seitentreppe war ein willkommener Schlupfwinkel für Jennys Lektionen, ohne von anderen Leuten beobachtet zu werden. Außerdem hatte sie zusätzlich den Vorteil, am Morgen Schatten vom Besansegel zu bekommen und den Rest des Tages vom Hauptsegel.
    Schatten gab es kaum auf der
St.
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