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Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen

Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen

Titel: Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen
Autoren: Adam Soboczynski
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vorgeschlagen hatte,
     lehnte man mit der Begründung ab, dieser sei arrogant, er würde den Frieden am Institut bedrohen, seine Forschung sei wenig
     verständlich usw.
    Der sehr gute Professor, ein weltweit angesehener Experte für die französische Literatur des 19. Jahrhunderts, nahm wenige
     Monate später eine andere Stelle an, so sehr hatte ihn die Fehlentscheidung seiner Kollegen empört. Das Ministerium beschloss,
     die frei gewordene Stelle nicht mehr wiederzubesetzen. Auf den Hochschulrankings, die alljährlich in großen Magazinen abgedruckt
     werden, sackte das Institut von Platz 9 auf Platz 17 ab. Ambitionierte Romanistikstudenten mieden die einst ruhmvolle Universität.
    |49| Wie viele Institute und Unternehmen gehen an der Missgunst mittelmäßiger Kollegen zugrunde! Nicht wenige, die eigene Mittelmäßigkeit
     erahnend, fürchten ihre Unterlegenheit vor kompetenten Kollegen und sind peinlich bedacht darauf, ihnen keine Chance zu geben.
    Die größte Tücke bei einem Bewerbungsgespräch ist deshalb nicht die Gefahr, einen schlechten Eindruck zu hinterlassen, sondern
     ganz im Gegenteil: einen zu guten. Arroganz, häufig Zeichen einer realistischen Einschätzung eigener Überlegenheit, gilt es
     daher unbedingt zu vermeiden. Das beste Rezept, eine Stelle zu erlangen: Im Bewerbungsgespräch ganz bewusst ein, zwei Unsicherheiten
     einbauen! Und im Gegenzug niemals die Unsicherheit anderer reizen! Lieber sich selbst schwach zeigen, wider das Bewusstsein
     der eigenen Stärke.
    Eine mittlerweile übliche Frage bei Bewerbungsgesprächen lautet: »Wo sehen Sie Ihre eigenen Schwächen?« Offensichtlich soll
     damit eine gesunde Selbsteinschätzung des Bewerbers erkundet werden. Klug ist, wer daraufhin antwortet, er sei manchmal zu
     »ungeduldig«. Das suggeriert Ambitioniertheit und Schnelldenkertum, zeigt aber gleichzeitig, dass dem Bewerber die Schädlichkeit
     einer übermäßigen Ausprägung dieser Eigenschaft bewusst ist.
    Eine Frau hatte sich in einem Unternehmen, das witzige T-Shirts herstellt, um eine Stelle in der Kreativabteilung beworben.
     Zunächst wurde während des Vorstellungsgesprächs in betont entspannter Atmosphäre über das Hauptziel des Unternehmens gesprochen:
     nämlich möglichst viele T-Shirts |50| mit möglichst lustigen Slogans zu verkaufen. Die Kreativabteilung hatte die Aufgabe, sich Slogans für die T-Shirts auszudenken.
     Während des Gesprächs wurde das durch und durch gelungene Modell mit dem Aufdruck »I prefer sex to gender« der Bewerberin
     gezeigt, die feinsinnig lächelte und wissend nickte. Alles lief, mit anderen Worten, wunderbar. Selbst über ihre Gehaltsvorstellung
     wurde gesprochen und man schien die Forderung nicht für völlig abwegig zu halten. Doch dann folgte die unvermeidliche Frage,
     von der Dame des Betriebsrats gestellt: »Wo sehen Sie Ihre eigenen Schwächen?«
    Die Bewerberin stutzte kurz, lachte dann laut auf. Die Frage schien ihr zu klischeebeladen, als dass sie im Stande gewesen
     wäre, zu antworten, sie sei manchmal zu ungeduldig. Dann fragte sie noch, ob die Frau vom Betriebsrat sich etwa mit Hilfe
     eines Bewerbungsratgebers auf das Gespräch vorbereitet hätte. Das Einstellungskomitee reagierte mit eisigem Schweigen, man
     verabschiedete sich mit bemüht wirkender Höflichkeit, und nicht einmal die Bewerbungsunterlagen wurden der Bewerberin jemals
     wieder zurückgeschickt.
    Wer also an einem Job interessiert ist, sollte beim Bewerbungsgespräch niemals die Kontrolle über seine Affekte verlieren.
     Selbst wem eigene Schwächen nicht bewusst sind, sollte antworten: »Ich bin hin und wieder zu ungeduldig.« Man kann das vorab
     einstudieren, vor dem Spiegel, auf dass die Antwort nicht allzu gekünstelt wirkt.
    Man sollte auf die Frage »Wo sehen Sie Ihre eigenen Schwächen?« übrigens erst nach einer ganz kleinen Pause |51| antworten. Einer kleinen Pause, die spontanes Nachdenken suggeriert. Nachdenken wiederum deutet an, dass die Frage klug und
     sinnvoll war, was den Fragestellern schmeichelt. Zudem suggeriert ein kurzes Nachdenken die authentische Suche nach einer
     wahren Antwort. Erst dann sollte man mit fester Stimme und mit einer gewissen Ernsthaftigkeit antworten, dass man hin und
     wieder zu ungeduldig sei, an diesem Charaktermangel aber arbeite.
    Denn kaum etwas lieben Chefs mehr als kleine Unsicherheiten. In Maßen simuliert, wirken sie vorteilhafter als vollkommene
     Selbstsicherheit, die in der Regel fälschlicherweise als
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