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Die schoenen Muetter anderer Toechter

Die schoenen Muetter anderer Toechter

Titel: Die schoenen Muetter anderer Toechter
Autoren: Miriam Muentefering
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riesiger Blumenkübel im Weg. Ich zögerte nicht und sprang … Es war schauderhaft. Ich hatte das Gefühl, ein leises Knacken zu vernehmen, als mein rechter Fuß in einem denkbar ungünstigen Winkel zum Bein aufkam. Und im nächsten Augenblick lag ich flach auf dem Boden, das Gesicht im Schotter. Mein Fuß brannte und pochte, dass mir die Tränen in die Augen schossen, dennoch hob ich noch im letzten, entscheidenden Moment den Kopf.
    Dann war es wieder dunkel auf dem Parkplatz, und ich setzte mich vorsichtig auf. Mein Knöchel wurde bereits heiß und schwoll an. Ich dachte an die Theorie, dass innere Unruhe das Risiko für Unfälle um mehr als sechzig Prozent erhöht. Zum Glück kamen drei hilfsbereite Lesben des Weges, die mich tatkräftig zurück zum Schwof halb schleppten und halb schoben. Nachdem ich Ellen über die Musikanlage hatte ausrufen lassen, verbrachten wir den Rest der Nacht in der Ambulanz der Städtischen Kliniken. Daher hatte ich nicht viel Schlaf bekommen.
    Der Fuß war nicht gebrochen, aber stark gestaucht. Ein Band war gezerrt.
    Die Schmerztabletten hatten mir zu den wenigen traumreichen Stunden verholfen. Nun saß ich hier am Sonntagmorgen und stierte ungläubig vor mich hin.
    Als die Tür aufgeschlossen wurde, wusste ich, dass Frauke meinem frühmorgendlichen Ruf auf dem Anrufbeantworter eiligst gefolgt war. Da wir Arbeitskolleginnen waren und Partnerinnen in der gemeinsamen GbR, hatte sie einen Schlüssel zu meiner Wohnung, deren Arbeitszimmer unser Büro beherbergte.
    Die Mischlingshündin Loulou stürzte in die Küche und schmiss sich vor mir auf den Boden. Frauke warf einen einzigen Blick auf mich und meinen hochgelegten bandagierten Fuß und blieb abrupt im Türrahmen stehen.
    »Mensch, Michelin!«, maulte sie. »Ich dachte, es sei etwas mit der Produktion nächste Woche. Vielleicht die Absage der Baumklettergruppe oder die Rodung des Waldes, in dem wir drehen wollen. Aber so wie es aussieht, scheint es sich eher um ein sehr persönliches Problem zu handeln.«
    Ich fand es irgendwie unhöflich, dass sie mein verletzter Fuß regelrecht zu erleichtern schien. Aber auf die Korrektur derlei Umgangsformen konnte ich jetzt nicht eingehen.
    »Frauke, du musst mir helfen!«, überfiel ich sie, ohne viel zu erklären. »Kennst du noch diesen Typen, der bei der Zulassungsbehörde des Straßenverkehrsamtes arbeitet?«
    »Hast du jemanden beim Schuttabladen im Feld überrascht, Prügel bekommen und willst ihn jetzt ausfindig machen?«
    Diese Frage bezog sich natürlich auf meine aufgeschrammte Wange.
    Bei einem Kaffee mit Sahnekrönchen schenkte ich meiner Kollegin und Freundin reinen Wein ein.
    »Zwanzig?«, wiederholte Frauke entsetzt und vergaß, ihren Sahnebart wegzuschlecken.
    »Na ja, vielleicht auch einundzwanzig oder zweiundzwanzig«, murmelte ich, wenig überzeugend.
    Frauke war dreißig und lebte seit fünf Jahren mit meinem besten Freund Lothar zusammen. Ich fand es irritierend, dass alle Welt sich plötzlich so stark für das Alter interessierte.
    »Und ihr habt nicht miteinander geredet?«
    »Ich hab’s dir doch gerade erklärt: Ich hatte Turnschuhe an, diese ausgelatschten Dinger, von denen du auch eine Ausgabe hast, die wir uns vor drei Jahren auf Norderney gekauft haben und die du nur noch zur Gartenarbeit anziehst. Und meine Frisur … ich hatte nicht mal einen winzigen Hauch von Parfüm drauf. Ehrlich.«
    Auch hier erntete ich nur Unglauben.
    »Überwältigt vom Trieb?«, hatte Frauke die Unverfrorenheit zu fragen.
    »Trieb?«, rief ich. Loulou sprang erschrocken auf. »Ja, allerdings! Mich treibt es. Und zwar zu ihr. Als du damals Lothar getroffen hast, da war es doch bestimmt auch so, dass du sofort wusstest, dass er es ist. Du wusstest, dass du stirbst, wenn er dir nicht ein Lächeln schenkt, wenn du ihn nicht für dich begeistern kannst. War es nicht so?«
    Frauke machte ein spitzes Gesicht. »Nein, war es nicht. Er schüttete mir sein Bier über die Hose, und ich fand ihn tollpatschig, unhöflich und viel zu kahlköpfig.«
    »Ach ja.« Ich erinnerte mich.
    Vor sieben Jahren saß ich nachts allein in der Schwulenkneipe um die Ecke und betrank mich, weil meine damalige Freundin etwas mit der Leiterin ihrer Selbsthilfegruppe für Allergikerinnen angefangen hatte. Ein junger Mann setzte sich zu mir an den Tisch, und wir prassten gemeinsam weiter. Lothar erzählte mir, dass er soeben von seiner Freundin verlassen worden sei und er daher den Schritt in die homosexuelle Subkultur
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