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Die Schöne und der Leopard (German Edition)

Die Schöne und der Leopard (German Edition)

Titel: Die Schöne und der Leopard (German Edition)
Autoren: Earl Warren
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der Palisade am Waldrand.
    Die gefleckte Großkatze riss den Rachen auf und zeigte dolchspitze Reißzähne. Ihre grünen Augen funkelten und schillerten im Dämmerlicht unter dem Laubdach des Okoumé-Baumes. Lomungé schaute hinüber, und er war der einzige in dem Dorf, der den Leoparden sah.
    Ihre Blicke bohrten sich über große Entfernung ineinander. Es war, als ob zwischen Mensch und Leopard eine Verbindung bestünde. Lomungé stand reglos, während Ed Anderson und Sue-Ann Bailey schon in seiner Hütte waren und auf ihn warteten.
    Geh, Bruder, durchstreife die Wälder, dachte der Medizinmann. Der Leopard erhob sich tatsächlich von seinem Ruhe- und Aussichtsplatz und verschwand mit einem einzigen geschmeidigen Sprung im Geäst. Wie ein Spuk war er weg, tödlich und schön.
     

 
     
    2. Kapitel
     
    Lomungés Hütte war in zwei Räume untergeteilt. Haushaltsgerät war kaum vorhanden, das Lomungé sowieso nicht anfasste. Das oblag seinen Frauen. Auf einem Wandbord standen Totenköpfe, flache Schalen und Gefäße. Kriegsgerät wie Speere, Keulen und zweischneidige Buschmesser hingen an einer Wand zusammen mit einem mannshohen Schild.
    Was sonst noch herumstand und -lag, brauchte der Medizinmann für die Ausübung seines Berufs. Eine Petroleumlampe baumelte von der Decke. In Bouradake gab es noch kein elektrisches Licht. Das Filmteam hatte für seine Stromerzeugung einen Generator aufgestellt, von dem das Dorf nichts hatte.
    Ein ausgestopfter Gorilla stand in der Ecke. Möbel gab es kaum, nur einen Stuhl, flachen Tisch und das Kochgestell an der Feuerstelle. Affen- und Schlangenbälge hingen von der Decke genau wie vor der Hütte zum Trocken. Zwei hohe und schmale Trommeln standen in dem Raum, in dem sich die beiden Besucher aufhielten. Zudem war da ein Juju-Fetisch, ein hässliches, zwanzig Zentimeter großes Ding, das aus Wurzelfasern geflochten und mit Haaren und Federn versehen war.
    Es hatte glitzernde Glasaugen und einen rotgemalten Mund. Es baumelte an einem Faden von der Decke. Wenn es der Luftzug bewegte, schien es zu leben.
    Sue-Ann und der Regisseur konnten weder ein Leopardenfell noch einen präparierten Leopardenschädel entdecken. Das rührte daher, dass es für Lomungé eine schwere Sünde gewesen wäre, den Leopardengott zu kränken, indem er Trophäen von seinen toten Kindern nahm.
    Der Medizinmann war mittelgroß und stockhässlich. Er hatte dürre Glieder, einen vorstehenden Kugelbauch und stechende, tiefliegende Augen. Er trug bunt gefärbte Federbüschel als Schmuck an Bändern an Hand- und Fußgelenken.
    Seine Unterlippe war schon in der Jugend mit einem Schnitt versehen worden, der so behandelt worden war, dass er sich nicht schließen konnte und der geweitet wurde. In diesem Schlitz trug Lomungé eine Muschel, so dass er eine grotesk sich wölbende Wulstlippe hatte.
    Etwas Bedrohliches ging von dem hageren Mann mit dem kurzgeschorenen, schon angegrauten Kraushaar aus. Lomungé schloss seine Augen. Er bedeutete den Besuchern, die sich niedergehockt hatten, zu schweigen.
    Dann holte er sein Juju-Schwirrholz und ließ es um den Kopf kreisen. Es summte und surrte. Sue-Ann hatte den Eindruck, die Geräusche würden aus dem Boden und aus den Hüttenwänden dringen und wären nicht alle von dieser Welt.
    Das Schweigen dauerte an. Dann fing Lomungé in Französisch zu reden, das er recht gut beherrschte, Englisch hingegen nicht.
    Ed Anderson übersetzte für seine Geliebte.
    »Ich weiß, warum ihr gekommen seid«, sagte der Medizinmann. »Die weiße Frau ist von dem Leopardengott zu seiner Geliebten erwählt worden. Das ist eine hohe Ehre. Sie wird binnen kurzem Tombés Kind tragen.«
    Sue-Ann riss die Augen auf. Ed Anderson widersprach.
    »Das ist Unsinn. Sie hat Alpträume, vielleicht psychische Probleme.«
    Lomungé wiegte den Kopf hin und her. Er zündete sich eine zerbissene Maiskolbenpfeife an und ließ den Rauch aus den Nasenlöchern strömen.
    »Wir brauchen deine Hilfe, Lomungé«, sagte der Regisseur. »Ich habe von deiner Kunst gehört und weiß, dass du über besondere Kräfte verfügst. – Bitte befreie die Frau, die ich liebe, von dieser Heimsuchung.«
    »Es ist eine Ehre, von dem Leopardengott ausgewähnt zu werden«, wiederholte der Medizinmann.
    »Darauf kann ich verzichten«, antwortete Sue-Ann, kaum dass der Regisseur es übersetzt hatte. »Dieses Ungeheuer quält mich auf furchtbare Weise. Von ihm auch noch ein Kind auszutragen – nein. – Doch sag, Ed, ich begreife das
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