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Die schoene Frau Seidenman

Die schoene Frau Seidenman

Titel: Die schoene Frau Seidenman
Autoren: Andrzej Szczypiorski
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– ein sehr menschlicher, natürlicher Geisteszustand, der sie nicht in Erstaunen versetzte. Als sie aber ein Haus auf der Krucza-Straße verließ und von Angesicht zu Angesicht auf Bronek Blutman stieß, von dem sie gehört hatte, er sei Polizeispitzel und verrate Juden, um auf diese Weise seinen Kopf, den Kopf eines jüdischen Eintänzers aus den DancingLokalen der Vorkriegszeit, zu retten, war ihr erster Gedanke eine banale Erledigung der Angelegenheit.
      Bronek Blutman sagte: »Welche Begegnung, liebe Frau Seidenman. Immer noch so elegant, na na!«
      »Ich werde vor Ihnen nicht so tun als ob«, entgegnete sie ruhig. »Wir können das erledigen.«
      »Was können wir denn erledigen, meine Hübsche?« fragte Bronek Blutman.
      »Wieviel wollen Sie? Sie sind ein junger, gut aussehender Mann, solche Männer pflegen größere Ausgaben zu haben.«
      »Liebe Frau Seidenman«, antwortete Bronek Blutman, »mir helfen  weder Schweinchen noch Harte . Ich habe mein bestimmtes Kontingent.«
      »Ich will nicht schlechter sein, als ich bin, aber ihr Kontingent können Sie woanders erfüllen.«
      »Kommt nicht in Frage«, sagte Blutman. »Ich meine es ernst. Und deshalb gehen wir jetzt zur richtigen Stelle.«
      »Sie machen ein schlechtes Geschäft, Herr Bronek. Ich bin nicht Frau Seidenman. Ich heiße Gostomska, mein Mann war Artillerieoffizier und ist 1939 gefallen.«
      »Alle sind wir 1939 gefallen«, entgegnete Bronek Blutman. »Los, gehen wir, meine Liebe!«
    »Man kann mir nichts beweisen.«
    »Das Beweisen übernehme ich.«
      Da zuckte Irma leichthin mit den Schultern, obwohl sie eine schreckliche Kälte rund um das Herz spürte und die Beine unter ihr nachgaben.
      »Können die überhaupt einem kleinen Juden glauben, wenn eine Offizierswitwe dem entschieden widerspricht?«
      »Machen Sie sich nicht lächerlich, liebe Frau Seidenman. Gehen wir!«
      Er faßte sie unter, leicht und sanft, denn er war ein guter Eintänzer gewesen.
      »Ich heiße Gostomska«, sagte sie laut. Ein Passant schaute herüber und zog die Brauen zusammen.
      »Ich heiße Gostomska und bin keine Jüdin«, wiederholte sie noch lauter. Zwei Männer blieben stehen.
    »Was wollen Sie von dieser Dame?« fragte einer.
    »Das geht Sie nichts an«, entgegnete Bronek Blutman schroff.
    »Sie sind selbst Jude«, sagte der Mann.
      »Ich weiß am besten, wer ich bin«, rief Bronek und zog Irma Seidenman am Arm.
      Eine freie Rikscha kam vorbei. Er hielt sie an. Sie stiegen ein. Auf dem Gehweg standen die beiden fremden Männer, ihre Gesichter verrieten Angst, Unbehagen und Spott. Bronek Blutman legte seine Hand auf Irmas Nacken.
      »Immer schon hatte ich Appetit auf Sie«, sagte er heiter, »aber jetzt ist's zu spät.«
      »Nehmen Sie Ihre Hand weg, sonst kriegen Sie eins in die Schnauze!« rief sie. »Ich heiße Gostomska, Maria Magdalena Gostomska.«
    »Die große Sünderin«, murmelte Bronek und lachte auf. Aber die Hand nahm er fort. Irma Seidenman wandte sich an den Rikschafahrer. Sie gab ihm ihre Anschrift und bat ihn, Dr. Adam Korda, ihren Nachbarn, zu benachrichtigen, daß sie irrtümlicherweise als Person jüdischer Abstammung festgehalten worden sei.
      »Ein Skandal!« sagte sie mit heftigem Abscheu. Der Rikschafahrer versprach, Dr. Korda zu benachrichtigen.
    Dr. Korda ahnte nichts von Irmas jüdischer Herkunft.
      Erst seit einigen Monaten war er ihr Nachbar. Als Altphilologe interessierte er sich für das Judenproblem nur darum, weil es etwas mit Tacitus und der Zerstörung des Tempels zu Jerusalem durch Titus zu tun hatte. Von Zeit zu Zeit brachte er Irma ein wenig Hagebutten-Konfitüre, sie plauderten abends ein bißchen über die schlechten und schwierigen Zeiten. Irma nannte seinen Namen und seine Adresse, weil er einfach ein anständiger Mensch war und es darauf ankam, einen anständigen Menschen wissen zu lassen, daß sie in Kürze umgebracht würde.
      In der Folgezeit dachte sie nicht an Dr. Korda. Auch an Bronek Blutman dachte sie von dem Augenblick an nicht mehr, als er Stucklers Zimmer verlassen hatte. Stuckler saß hinter seinem Schreibtisch, sie auf einem Stuhl davor. Sie schaute durch das breite Fenster hinaus in den blauen Himmel.
      Sie gab nichts zu. Hartnäckig sagte sie: »Ich kenne diesen Menschen nicht und bin keine Jüdin. Ich heiße Maria Magdalena Gostomska und bin Offizierswitwe. Sie haben ja meine Papiere.«
    Er hatte ihre Kennkarte, aber nicht nur das. Er hatte
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