Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schneekönigin (illustrierte Ausgabe)

Die Schneekönigin (illustrierte Ausgabe)

Titel: Die Schneekönigin (illustrierte Ausgabe)
Autoren: Hans Christian Andersen
Vom Netzwerk:
Besuche heim; sie küsste die Großmutter. Es war Gold, Herzensgold in dem gesegneten Kusse. Gold im Munde, Gold im Grunde, Gold dort in der Morgenstunde! Sieh, das ist meine kleine Geschichte!“ sagte die Butterblume.

     
    „Meine arme alte Großmutter!“ seufzte Gerda. „Ja, sie sehnt sich gewiss nach mir, ist betrübt über mich, ebenso, wie sie es über den kleinen Kay war. Aber ich komme bald wieder nach Hause, und dann bringe ich ihn mit. — Es nützt zu nichts, dass ich die Blumen frage, die wissen nur ihr eigenes Lied, sie geben mir keinen Bescheid!“
    Und dann band sie ihr kleines Kleid auf, damit sie rascher gehen könne; aber die Pfingstlilie schlug ihr über das Bein, indem sie darüber hin sprang. Da blieb sie stehen, betrachtete die lange gelbe Blume und fragte: „Weißt du vielleicht etwas?“ und sie bog sich ganz zur Pfingstlilie herab; und was sagte die?
    „Ich kann mich selbst erblicken, ich kann mich selbst sehen“, sagte die Pfingstlilie. „Oh, o, wie ich dufte! — Oben in dem kleinen Erkerzimmer steht, halb bekleidet, eine kleine Tänzerin, sie steht bald auf einem Beine, bald auf beiden, sie tritt die ganze Welt mit Füßen, sie ist nichts als Augenverblendung. Sie gießt Wasser aus dem Teetopf auf ein Stück Zeug aus, welches sie hält, es ist der Schnürleib — Reinlichkeit ist eine schöne Sache! Das weiße Kleid hängt am Haken, das ist auch im Teetopf gewaschen und auf dem Dache getrocknet; sie zieht es an, nimmt das safrangelbe Tuch um den Hals, so scheint das Kleid weißer. Das Bein ausgestreckt! Sieh, wie sie auf einem Stiele prangt! Ich kann mich selbst erblicken! Ich kann mich selbst sehen!“
    „Darum kümmere ich mich gar nicht!“ sagte Gerda. „Das brauchst du mir nicht zu erzählen!“ Und dann lief sie nach dem Ende des Gartens.
    Die Tür war verschlossen, aber sie drückte auf die verrostete Klinke, so dass diese los ging; die Tür sprang auf, und da lief das kleine Gerda mit bloßen Füßen in die weite Welt hinaus. Sie blickte dreimal zurück, aber da war niemand, der sie verfolgte; zuletzt konnte sie nicht mehr gehen und setzte sich auf einen großen Stein, und als sie ringsum sah, war der Sommer vorbei, es war Spätherbst, das konnte man in dem schönen Garten gar nicht bemerken, wo immer Sonnenschein und Blumen aller Jahreszeiten waren.
    „Gott, wie habe ich mich verspätet!“ sagte das kleine Gerda. „Es ist ja Herbst geworden, da darf ich nicht ruhen!“ und sie erhob sich, um weiter zu gehen.

     
    Oh, wie waren ihre kleinen Füße wund und müde! Rings umher sah es kalt und rau aus; die langen Weidenblätter waren ganz gelb und der Tau tröpfelte als Wasser herab, ein Blatt fiel nach dem anderen ab, nur der Schlehdorn trug noch Früchte, die waren herbe und zogen den Mund zusammen. Oh, wie war es grau und schwer in der weiten Welt!

 
    G erda musste wieder ausruhen. Da hüpfte dort auf dem Schnee, der Stelle, wo sie saß, gerade gegenüber, eine große Krähe, die hatte lange gesessen, sie betrachtet und mit dem Kopf gewackelt; nun sagte sie: „Kra! Kra! — Gut’ Tag! Gut’ Tag!“ Besser konnte sie es nicht herausbringen, aber sie meinte es gut mit dem kleinen Mädchen und fragte, wohin sie allein in die weite Welt hinausgehe. Das Wort „allein“ verstand Gerda sehr wohl und fühlte recht, wie viel darin lag, und dann erzählte sie der Krähe ihr ganzes Leben und Geschick, und fragte, ob sie Kay nicht gesehen habe.

     
    Die Krähe nickte ganz bedächtig und sagte: „Das könnte sein!“
    „Wie? Glaubst du?“ rief das kleine Mädchen, und hätte fast die Krähe tot gedrückt, so küsste sie diese.
    „Vernünftig, vernünftig!“ sagte die Krähe. „Ich glaube, ich weiß, — ich glaube, es kann der kleine Kay sein! Aber nun hat er dich sicher über der Prinzessin vergessen!“
    „Wohnt er bei einer Prinzessin?“ fragte Gerda.
    „Ja, höre!“ sagte die Krähe. „Aber es fällt mir schwer, deine Sprache zu reden. Verstehst du die Krähensprache, dann will ich besser erzählen!“
    „Nein, diese habe ich nicht gelernt!“ sagte Gerda, „aber die Großmutter konnte sie sprechen. Hätte ich es nur gelernt!“
    „Schadet gar nichts!“ sagte die Krähe. „Ich werde erzählen, so gut ich kann, aber schlecht wird es immer!“ Dann erzählte sie, was sie wusste.
    „In diesem Königreich, in welchem wir jetzt sitzen, wohnt eine Prinzessin, die ist ganz außerordentlich klug, aber sie hat auch alle Zeitungen, die es in der Welt gibt,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher