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Die Schneekönigin (illustrierte Ausgabe)

Die Schneekönigin (illustrierte Ausgabe)

Titel: Die Schneekönigin (illustrierte Ausgabe)
Autoren: Hans Christian Andersen
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dich endlich gefunden!“

     
    Aber er saß ganz still, steif und kalt; da weinte das kleine Gerda heiße Tränen, die fielen auf seine Brust, sie drangen in sein Herz, sie tauten den Eisklumpen auf und verzehrten das kleine Spiegelstück darin; er betrachtete sie, und sie sang:
     
    „Rosen, die blühen und verwehen,
    Wir werden das Christkindlein sehen!“
     
    Da brach Kay in Tränen aus; er weinte, dass das Spiegelkörnchen aus dem Auge schwamm, er erkannte sie und jubelte: „Gerda! Liebes kleines Gerda! — Wo bist du doch so lange gewesen? Und wo bin ich gewesen?“ Und erblickte rings um sich her. „Wie kalt ist es hier!“ wie es hier weit und leer ist!“ Und er klammerte sich an Gerda an, und sie lachte und weinte vor Freude. Das war so herrlich, dass selbst die Eisstücke vor Freude ringsumher tanzten, und als sie müde waren und sich niederlegten, lagen sie gerade in den Buchstaben, von denen die Schneekönigin gesagt hatte, dass er sie ausfindig machen sollte, dann sei er sein eigener Herr und sie wollte ihm die ganze Welt und ein Paar neue Schlittschuhe geben.
    Gerda küsste seine Wangen, und sie wurden blühend; sie küsste seine Augen, und sie leuchteten gleich den ihren; sie küsste seine Hände und Füße, und er war gesund und munter. Die Schneekönigin mochte nun nach Hause kommen, sein Freibrief stand da mit glänzenden Eisstücken geschrieben.
    Sie fassten einander an den Händen und wanderten aus dem großen Schloss hinaus; sie sprachen von der Großmutter und von den Rosen auf dem Dache; und wo sie gingen, ruhten die Winde und die Sonne brach hervor. Als sie den Busch mit den roten Beeren erreichten, stand das Renntier da und wartete; es hatte ein anderes junges Renntier mit sich, dessen Euter voll war, und dieses gab dem Kleinen seine warme Milch und küsste sie auf den Mund. Dann trugen sie Kay und Gerda erst zur Finnin, wo sie sich in der heißen Stube aufwärmten und über die Heimreise Bescheid erhielten, dann zur Lappin, welche ihnen neue Kleider genäht und ihren Schlitten in Stand gesetzt hatte.
    Das Renntier und das Junge sprangen zur Seite und folgten mit, bis zur Grenze des Landes; dort sprosste das erste Grün hervor, da nahmen sie Abschied vom Renntier und von der Lappin. „Lebt wohl!“ sagten alle. Und die ersten kleinen Vögel begannen zu zwitschern, der Wald hatte grüne Knospen, und aus ihm kam auf einem prächtigen Pferde, welches Gerda kannte (es war vor die goldene Kutsche gespannt gewesen), ein junges Mädchen geritten, mit einer glänzenden roten Mütze auf dem Kopf und Pistolen im Halfter. Das war das kleine Räubermädchen, welches es satt hatte, zu Hause zu sein, und nun erst gegen Norden und später, wenn ihr dies zusagte, nach einer anderen Weltgegend hin wollte. Sie erkannte Gerda sogleich, und Gerda erkannte sie, das war eine Freude.
    „Du bist ein wahrer Künstler im Herumstreifen!“ sagte sie zum kleinen Kay. „Ich möchte wissen, ob du verdienst, dass man deinethalben bis an der Welt Ende läuft!“
    Aber Gerda klopfte ihr die Wangen, und fragte nach dem Prinzen und der Prinzessin.
    „Die sind nach fremden Ländern gereist!“ sagte das Räubermädchen.
    „Aber die Krähe?“ fragte Gerda.
    „Ja, die Krähe ist tot!“ erwiderte sie. „Die zahme Geliebte ist Witwe geworden und geht mit einem Stückchen schwarzen wollenen Garn um das Bein; sie klagt ganz jämmerlich, und Geschwätz ist das Ganze! — Aber erzähle mir nun, wie es dir ergangen ist und wie du ihn erwischt hast.“
    Gerda und Kay erzählten.
    Das Räubermädchen nahm beide an die Hände und versprach, dass, wenn sie je durch ihre Stadt kommen sollte, so wolle sie hinauf kommen, sie zu besuchen, und dann ritt sie in die weite Welt hinaus. Aber Kay und Gerda gingen Hand in Hand, und wie sie gingen, war es herrlicher Frühling mit Blumen und mit Grün; die Kirchenglocken läuteten, und sie erkannten die hohen Türme, die große Stadt, es war die, in der sie wohnten, und sie gingen in dieselbe hinein und hin zu der Tür der Großmutter, die Treppe hinauf, in die Stube hinein, wo alles wie früher auf derselben Stelle stand. Die Uhr sagte: „Tick! Tack!“ und die Zeiger drehten sich; aber indem sie durch die Tür gingen, bemerkten sie, dass sie erwachsene Menschen geworden waren. Die Rosen aus der Dachrinne blühten zum offenen Fenster herein, und da standen noch die kleinen Kinderstühle. Kay und Gerda setzten sich ein jeder auf den seinigen und hielten einander bei den Händen; die kalte
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