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Die Schneekönigin (illustrierte Ausgabe)

Die Schneekönigin (illustrierte Ausgabe)

Titel: Die Schneekönigin (illustrierte Ausgabe)
Autoren: Hans Christian Andersen
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Vergnügen ein Ende. Die Fenster waren oft ganz zugefroren. Aber dann wärmten die Kinder Kupferdreier auf dem Ofen, legten den warmen Dreier gegen die gefrorene Scheibe, und dann entstand da ein rundes schönes Guckloch; dahinter blitzte ein lieblich mildes Auge, eins von jedem Fenster; das war der kleine Knabe und das kleine Mädchen.

     
    Er hieß Kay und sie hieß Gerda. Im Sommer konnten sie mit einem Sprunge zu einander gelangen, im Winter mussten sie erst die vielen Treppen hinunter- und die anderen Treppen hinaufsteigen; draußen trieb der Schnee.
    „Das sind die weißen Bienen, die schwärmen!“ sagte die alte Großmutter.
    „Haben sie auch eine Bienenkönigin?“ fragte der kleine Knabe, denn er wusste, dass unter den wirklichen Bienen eine solche ist.
    „Die haben sie!“ sagte die Großmutter. „Sie fliegt dort, wo sie am dichtesten schwärmen, sie ist die größte von allen, und nie ist sie stille auf Erden, sie fliegt wieder in die schwarze Wolke hinauf. Manche Winternacht fliegt sie durch die Straßen der Stadt und blickt zu den Fenstern hinein, und dann gefrieren diese sonderbar, gleich wie mit Blumen.“
    „Ja, das habe ich gesehen!“ sagten beide Kinder und nun wussten sie, dass es wahr sei.
    „Kann die Schneekönigin hier hereinkommen?“ fragte das kleine Mädchen.
    „Lass sie nur kommen“, sagte der Knabe, „dann setze ich sie auf den warmen Ofen, und dann schmilzt sie.“
    Aber die Großmutter glättete sein Haar und erzählte andere Geschichten.
    Am Abend, als der kleine Kay zu Hause und halb entkleidet war, kletterte er auf den Stuhl am Fenster und guckte aus dem kleinen Loche. Ein paar Schneeflocken fielen draußen und eine derselben, die allergrößte, blieb auf dem Rande des einen Blumenkasten liegen; sie wuchs mehr und mehr und wurde zuletzt ein ganzes Frauenzimmer, in den feinsten, weißen Flor gekleidet, der wie von Millionen sternartiger Flocken zusammengesetzt war.
    Sie war schön und fein, aber von Eis, dem blendenden, blinkenden Eise, und doch war sie lebend; die Augen blitzten wie zwei klare Sterne, aber es war keine Ruhe oder Rast in ihnen. Sie nickte dem Fenster zu und winkte mit der Hand. Der kleine Knabe erschrak und sprang vom Stuhl hernieder, da war es, als ob draußen vor dem Fenster ein großer Vogel vorbei flöge.
    Am nächsten Tage wurde es klarer Frost, — und dann kam das Frühjahr, die Sonne schien, das Grün keimte hervor, die Schwalben bauten Nester, die Fenster wurden geöffnet, und die kleinen Kinder saßen wieder in ihrem kleinen Garten hoch oben in der Dachrinne über allen Stockwerken.
    Die Rosen blühten diesmal prachtvoll. Das kleine Mädchen hatte in diesem Sommer ein Lied gelernt, in welchem auch von Rosen die Rede war, und bei den Rosen dachte sie an ihre eigenen, und sie sang es dem kleinen Knaben vor, und er sang mit:
     
    „Die Rosen, sie blühen und verwehen,
    Wir werden das Christkind wieder sehen.“
     
    Und die Kleinen hielten einander bei den Händen, küssten die Rosen und blickten in Gottes klaren Sonnenschein hinein und sprachen zu demselben, als ob das Jesuskind da wäre. Was waren das für herrliche Sommertage, wie schön war es draußen, bei den frischen Rosenstöcken, welche mit dem Blühen nie aufhören zu wollen schienen!
    Kay und Gerda saßen und blickten in das Bilderbuch mit Tieren und Vögeln, da war es — die Uhr schlug gerade fünf auf dem großen Kirchturme — dass Kay sagte: „Au, es stach mir in das Herz! Und nun flog mir etwas in das Auge!“
    Das kleine Mädchen nahm ihn um den Hals, er blinzelte mit den Augen, aber es war gar nichts zu sehen.
    „Ich glaube, es ist fort!“ sagte er; aber weg war es nicht. Es war eins von den Glaskörnern, welches vom Spiegel gesprungen war, dem Zauberspiegel, wir entsinnen uns seiner wohl, das hässliche Glas, welches alles Große und Gute, was sich darin abspiegelte, klein und hässlich machte, aber das Böse und Schlechte trat ordentlich hervor, und jeder Fehler an einer Sache war gleich zu bemerken. Der arme Kay hatte auch ein Korn gerade in das Herz hinein bekommen. Das wird nun bald wie ein Eisklumpen werden. Nun tat es nicht mehr wehe, aber es war da.
    „Weshalb weinst du?“ fragte er. „So siehst du hässlich aus! Mir fehlt ja nichts! Pfui!“ rief er auf einmal, „die Rose dort hat einen Wurmstich! Und sieh, diese da ist ja ganz schief! Im Grunde sind es hässliche Rosen! Sie gleichen dem Kasten, in welchem sie stehen!“ und dann stieß er mit dem Fuße gegen den
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