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Die Schneekönigin (illustrierte Ausgabe)

Die Schneekönigin (illustrierte Ausgabe)

Titel: Die Schneekönigin (illustrierte Ausgabe)
Autoren: Hans Christian Andersen
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noch lauter, und da kam eine alte, alte Frau aus dem Hause, die sich auf einen Krückenstock stützte; sie hatte einen großen Sonnenhut auf, und der war mit den schönsten Blumen bemalt.
    „Du kleines, armes Kind!“ sagte die alte Frau. „Wie bist du doch auf den großen reißenden Strom gekommen und weit in die Welt hinaus getrieben?“ und dann ging die alte Frau an das Wasser, erfasste mit ihrem Krückenstock das Boot, zog es an das Land und hob das kleine Gerda heraus.
    Diese war froh, wieder auf das Trockene zu gelangen, obgleich sie sich vor der alten Frau ein wenig fürchtete.
    „Komm doch und erzähle mir, wer du bist, und wie du hierher kommst!“ sagte sie.
    Gerda erzählte ihr alles; und die Alte schüttelte mit dem Kopf und sagte: „Hm! hm!“ und als ihr Gerda alles gesagt und gefragt hatte, ob sie nicht den kleinen Kay gesehen habe, sagte die Frau, dass er nicht vorbeigekommen sei, aber er komme wohl noch, sie solle nur nicht betrübt sein, sondern die Kirschen kosten, ihre Blumen betrachten, die seien schöner als irgend ein Bilderbuch, eine jede könne eine Geschichte erzählen. Da nahm sie Gerda bei der Hand, sie gingen in das kleine Haus hinein, und die alte Frau schloss die Türe zu.
    Die Fenster lagen sehr hoch und die Scheiben waren rot, blau und gelb, und das Tageslicht schien ganz sonderbar herein; aber auf dem Tische standen die schönsten Kirschen, und Gerda aß davon so viel sie wollte, denn das war ihr erlaubt. Während sie speiste, kämmte die alte Frau ihr Haar mit einem goldenen Kamme, und das Haar ringelte sich und glänzte herrlich gelb rings um das kleine freundliche Antlitz, welches rund war und wie eine Rose aussah.

     
    „Nach einem so lieben kleinen Mädchen habe ich mich schon lange gesehnt!“ sagte die Alte. „Nun wirst du sehen, wie gut wir mit einander leben werden!“ Und so wie sie dem kleinen Gerda das Haar kämmte, vergaß diese mehr und mehr ihren Kameraden Kay, denn die alte Frau konnte zaubern, aber eine böse Zauberin war sie nicht. Sie zauberte nur ein bisschen zu ihrem eigenen Vergnügen, und wollte gern das kleine Gerda behalten. Deshalb ging sie hinaus in den Garten, streckte ihren Krückstock gegen alle Rosensträucher aus, und wie schön sie auch blühten, so sanken sie alle in die schwarze Erde hinunter, und man konnte nicht sehen, wo sie gestanden hatten. Die Alte fürchtete, dass Gerda, wenn sie die Rosen erblickte, an ihre eignen denken, sich dann des kleinen Kay erinnern und davonlaufen würde.
    Nun führte sie Gerda in den Blumengarten. Was war da für ein Duft und eine Herrlichkeit! Alle nur denkbaren Blumen, für jede Jahreszeit, standen hier in der prächtigsten Blüte; kein Bilderbuch konnte hübscher und bunter sein. Gerda sprang vor Freude, und spielte, bis die Sonne hinter den hohen Kirschbäumen unterging, dann bekam sie ein schönes Bett mit roten Seidenkissen, die mit Veilchen gestopft waren, und sie schlief und träumte da so herrlich, wie nur eine Königin an ihrem Hochzeitstage.
    Am nächsten Tage konnte sie wieder mit den Blumen im warmen Sonnenschein spielen. So verflossen viele Tage. Gerda kannte jede Blume, aber wie viele es auch waren, so war es ihr doch, als ob eine fehlte, aber welche, das wusste sie nicht. Da sitzt sie eines Tages und betrachtet den Sonnenhut der alten Frau mit den gemalten Blumen, und gerade die schönste darunter war eine Rose. Die Alte hatte vergessen, diese vom Hute wegzuwischen, als sie die anderen in die Erde verbannte. Aber so ist es, wenn man die Gedanken nicht immer gesammelt hat! „Was!“ sagte Gerda, „sind hier keine Rosen?“ und sprang zwischen die Beete, suchte und suchte, aber da waren keine zu finden. Da setzte sie sich hin und weinte; aber ihre Tränen fielen gerade auf eine Stelle, wo ein Rosenstrauch versunken war, und als die warmen Tränen die Erde benetzten, schoss der Strauch auf einmal empor, so blühend, als er versunken war, und Gerda umarmte ihn, küsste die Rosen und gedachte der herrlichen Rosen daheim und mit ihnen auch des kleinen Kay.
    „Oh, wie bin ich aufgehalten worden!“ sagte das kleine Mädchen.
    „Ich wollte ja den kleinen Kay suchen! — Wisst ihr nicht, wo er ist?“ fragte sie die Rosen. „Glaubt ihr, er sei tot?“
    „Tot ist er nicht“, sagten die Rosen. „Wir sind ja in der Erde gewesen, dort sind ja alle die Toten, aber Kay war nicht da!“
    „Ich danke euch!“ sagte das kleine Gerda, und sie ging zu den anderen Blumen hin, sah in deren Kelch hinein
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