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Die Schnapsstadt

Die Schnapsstadt

Titel: Die Schnapsstadt
Autoren: Mo Yan
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ich werde nie eins von diesen Spielzeugen in die Hand bekommen. Aber deine Alte kann mit dem zufrieden sein, den sie im Haus hat.»
    Laut lachend schüttet der alte Jin den Schnaps hinunter und gibt ihr die Schale zurück. Dann bindet er sich die Stricke um die Taille und sagt laut: «Ich komme dann später vorbei und hole das Geld, Kahlkopf.»
    Der Kahlkopf sagt: «Zieh schon ab. Aber vergiss nicht, ein Schlachtopfer mitzunehmen, wenn du die Witwe Cui besuchst!»
    «Die hat schon einen anderen», sagt der alte Jin. «Bei der habe ich keine Chance mehr.»
    Damit macht er sich auf den Weg durch den Laden, an der Theke vorbei und hinaus in die Eselsgasse.
    Inzwischen hat der Kahlkopf einen Vorschlaghammer in der Hand und ist bereit zum Schlachtfest. Er dreht sich zu Li Yidou um und sagt: «Du und der Reporter stehen besser dahinten, mein Freund. Ihr wollt euch doch nicht die Kleider schmutzig machen.»
    Mo Yan sieht, dass die beiden Esel sich verängstigt in einer Ecke aneinander drängen. Keiner von beiden schreit oder versucht zu fliehen. Beide zittern.
    «Egal wie kräftig ein Esel ist», sagt Li Yidou, «wenn er den alten Sun sieht, fängt er an zu zittern.»
    Der Kahlkopf stellt sich hinter einen der beiden Esel, hebt den blutverschmierten Hammer über den Kopf und lässt ihn hart auf das Fußgelenk des Esels fallen. Der Esel geht mit dem Hinterteil zu Boden. Der nächste Schlag landet auf seiner Stirn. Das Tier liegt flach auf dem Boden und streckt die Beine von sich wie Holzkeulen. Statt davonzulaufen, stemmt der andere Esel den Kopf gegen die Wand, als wolle er sie niederreißen.
    Dann holt der Kahlkopf ein Becken, stellt es unter den Hals des zusammengebrochenen Esels, greift zum Metzgermesser und trennt die Halsschlagader des Tiers durch. Ein Strom purpurrotes Blut fließt in das Becken …
    Nach der Eselsschlachtung stehen Mo Yan und Li Yidou wieder auf der Straße. «Das war verdammt brutal», sagt Mo Yan.
    «Aber immer noch humaner als früher», sagt Li Yidou.
    «Wie war es damals?», fragt Mo Yan.
    «In den letzten Jahren der Qing-Dynastie gab es hier in der Eselsgasse eine Metzgerei, die für ihr zartes Eselsfleisch bekannt war. Die haben folgendermaßen geschlachtet: Sie haben ein Loch in den Boden gegraben und es dann mit dicken Brettern abgedeckt. In den Ecken waren vier Löcher für die Beine des Esels, damit er sich nicht wehren konnte. Dann haben sie den Esel mit kochend heißem Wasser übergossen und ihm die Haut abgezogen. Die Kunden suchten sich das Stück aus, auf das sie Appetit hatten, und der Metzger schnitt es an Ort und Stelle ab. Manchmal war schon das ganze Fleisch verkauft, und man konnte den Esel immer noch schnaufen und schreien hören. Würden Sie das brutal nennen?»
    «Und wie», antwortet Mo Yan.
    «Die Metzgerei Xue hat diese Methode vor ein paar Jahren wieder eingeführt und ein Mordsgeschäft damit gemacht, bis die Stadtverwaltung es verboten hat.»
    «Das spricht für sie.»
    «Um der Wahrheit die Ehre zu geben», sagt Li Yidou, «das Fleisch war nicht besonders gut.»
    «Deine Schwiegermutter sagt, die Fleischqualität werde von der Furcht beeinflusst, die das Tier unmittelbar vor seinem Tod empfindet. Das habe ich in einer deiner Erzählungen gefunden.»
    «Sie haben ein gutes Gedächtnis.»
    «Ich habe einmal lebendig gedünsteten Fisch gegessen», sagt Mo Yan. «Selbst wenn der Körper von dampfender Sauce bedeckt ist, geht das Maul immer noch auf und zu, als wolle der Fisch dir etwas sagen.»
    «Grausame Essgewohnheiten sind keine Seltenheit», sagt Li Yidou. «Meine Schwiegermutter ist eine Expertin auf dem Gebiet.»
    «Sind deine richtigen Schwiegereltern und die Schwiegereltern in deinen Erzählungen sehr verschieden?»
    «Wie Tag und Nacht», sagt Li Yidou errötend.
    «Ich bewundere deinen Mut», sagt Mo Yan. «Wenn deine Erzählungen eines Tages wirklich veröffentlicht werden, werden deine Frau und dein Schwiegervater dich bei lebendigem Leibe rösten.»
    «Das ist mir egal. Wenn dafür meine Erzählungen gedruckt werden, können sie mich meinetwegen dämpfen oder frittieren.»
    «Ich glaube nicht, dass es das wert wäre.»
    «Aber ich.»
    «Reden wir heute Abend weiter darüber», sagt Mo Yan. «Du bist schon in Ordnung. Und zweifellos bist du begabter als ich.»
    «Sie schmeicheln mir, Meister.»

IV
     
    Zum Mittagessen trifft man sich in Yichis Taverne.
    Für Mo Yan hat man den Ehrenplatz reserviert. Parteisekretär Hu fungiert als Gastgeber. Sieben oder acht
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