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Die Schluesseltraegerin - Roman

Die Schluesseltraegerin - Roman

Titel: Die Schluesseltraegerin - Roman
Autoren: Simone Neumann
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»was machst du denn jetzt mit dieser da, Meinrads Tochter? Willst du sie weiterhin durchfüttern?«
    Inga schoss das Blut ins Gesicht. Sie versuchte sich nichts anmerken zu lassen und konzentrierte sich weiterhin darauf,
die verknoteten Fäden von der Spindel zu lösen. Dabei lauschte sie angestrengt.
    »Ich denke nicht, dass sie auf dem Hof ihres Vaters willkommen geheißen wird. Sie ist die Frau meines Bruders, also darf sie in unserer Familie bleiben.«
    Mit diesen Worten Ansgars hätte Inga ganz und gar nicht gerechnet. Dennoch war ihr äußerst unwohl zumute.
    »Na, die würde ich auch behalten«, lachte der Dicke laut und erhob sein Trinkhorn in Richtung Inga. Und auch die anderen Männer, außer Ansgar und Gernot, fingen an zu lachen.
    »Wenn du nicht genug Arbeit für sie findest – ich kann immer eine willige Magd gebrauchen«, rief einer.
    »Die muss dir aber schöne Dienste leisten, Ansgar, wenn du die Tochter eures Todfeindes einfach bei dir behältst. Was kann sie denn besonders gut? Erzähl schon, wir sind ganz Ohr«, wollte ein anderer wissen.
    »Wenn sie will, bleibe ich heute Nacht. Ich bin gut darin, Witwen zu trösten. Und die da wollte ich schon immer mal trösten«, lallte der rotgesichtige Wulf wieder.
    »Haltet eure Schandmäuler, allesamt, wenn ihr weiter mit mir trinken wollt«, sagte Ansgar ruhig, aber entschieden. Alle verstummten, indem sie ein »Schon gut« oder »Hab dich nicht so« vor sich hinmurmelten.
    »Aber eine Frage hätte ich da schon noch«, warf noch einmal der Dicke ein. »Was geschieht mit Uta, dem Friedel Rothgers? Darf auch sie bleiben?«
    »Sie muss gehen, sobald das Kind da ist. So habe ich entschieden. Und jetzt wird kein weiteres Wort mehr darüber verloren.« Ansgar verging die Lust am Beisammensein mit den anderen Männern. Mit dem ihm eigenen düsteren Blick sah er zu Inga herüber.
    Wäre er nicht so griesgrämig, so hätte man ihn einen schönen
Mann nennen können. Das hatte Inga schon früher gedacht. Besonders seine hellen Augen mit den geraden rotblonden Brauen, die er jedoch meist finster zusammenzog, seine ebenmäßige Nase und der schöne volle Mund ließen ihn weitaus ansehnlicher erscheinen als seinen bärenhaften Bruder Rothger. Doch anders als diesen, hatte Inga Ansgar noch niemals lachen sehen. Er war meist ruhig und beherrscht, doch wenn man ihn zu sehr reizte, dann wurde er rasend. Das wusste Inga, das wusste das ganze Haus, und das wussten auch die Gäste, die nun rasch nach einem neuen Gesprächsthema suchten.
    »Ihr habt sicherlich schon alle von den beiden Mönchen gehört, die seit einigen Tagen auf dem heiligen Berg leben«, warf schließlich einer der Männer in den Raum.
    »Natürlich haben wir das gehört«, antwortete Liudolf. »Und das bestätigt doch nur, was ich eben schon sagte. Sie kreisen uns ein. Wir sind nicht mehr so stark wie zu Zeiten Widukinds. Gegen die haben wir keine Macht. Es gilt den Schild sinken zu lassen und sich zu ergeben. So schmerzhaft das sein mag.«
    »Was wollen die da?«, fragte Ansgar fast gelangweilt.
    »Eine Kirche wollen sie bauen, auf dem heiligen Platz zwischen den alten Linden. Dort, wo unsere Väter ihr Thing abhielten und wir seit der Christenzeit unsere Toten begraben müssen.«
    »Dort stand bereits eine Kirche«, warf der uralte Ulrich, einziger noch lebender Bruder des Hilger, ein. »Der Frankenkönig Karl, dieser Unhold, hat sie errichtet und von seinem Römer, dem Papst, weihen lassen. Mehr als dreißig Sommer und Winter sind seither vergangen, aber das Gotteshaus hat es nur wenige Wochen gegeben.«
    »Vom Blitz wurde es getroffen und ist verbrannt. Nicht einmal die Erinnerung ist geblieben«, setzte Liudolf die Worte des Alten fort.

    »Die Rache der Götter«, murmelte dieser.
    »Die Rache der Götter«, wiederholten viele Stimmen am Tisch.
    »Doch jetzt versuchen sie es wieder«, sprach Liudolf weiter. »Sind nicht zufrieden damit, dass uns ihr Christengott nicht behagen will.«
    »Den gibt es gar nicht«, schimpfte der alte Ulrich. »Sollen sie es erst einmal beweisen. Wodan und Thor, sie schicken uns ständig Zeichen ihrer schrecklichen Macht. Aber dieser, der Mildtätige? Wo ist er, wenn man seine Güte und Gnade braucht? Weibergewäsch ist es, mehr nicht. Wer will einen solchen Gott? Einen, der Gutes verspricht und es nicht bringt, einen ohne Waffen, ohne Kraft.«
    »Sie glauben selbst nicht daran, benutzen die Märchen über ihren Gott und seinen Sohn, um uns einzulullen wie die kleinen
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